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Prof. Dr. med. Julian BöselDer COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca sorgt wegen möglicher Nebenwirkungen wie Hirnvenen- und Sinusvenenthrombosen für Verunsicherung. Auch wenn es bisher noch keine Klarheit über den kausalen Zusammenhang gibt, einige dieser Fälle jedoch sehr schwerwiegend verlaufen und lebensbedrohlich sein können, gibt die Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) Hinweise zum Umgang mit der Situation. Dazu die Stellungnahme des Präsidenten der DGNI, Prof. Dr. med. Julian Bösel, Kassel.

In den letzten Wochen häufen sich Berichte zu Hirnvenen- und Sinusthrombosen (CVST) im Zusammenhang mit der COVID-19 Schutzimpfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca. Auch wenn der kausale Zusammenhang noch unklar ist und ein Teil der Diagnosen der ansonsten wegen fluktuierender oder unspezifischer Symptomatik oft verzögert oder gar nicht erkannten Erkrankung der erhöhten Aufmerksamkeit geschuldet sein mag, sind uns einige Hinweise zum Umgang mit der Situation sehr wichtig. Zwar ist noch nicht gänzlich zu verstehen, warum eine Impfungs-assoziierte Thromboseneigung vor allem die Hirnvenen betreffen sollte oder warum deutliche regionale Unterschiede (z.B. kaum erhöhtes Auftreten in UK) zu bestehen scheinen, aber dies kann auch in Unterschieden im Bewusstsein, des Alters der geimpften Bevölkerung, der Symptomerkennung und der diagnostischen Aktivität begründet sein. Erste Erkenntnisse aus der Gerinnungsforschung legen als möglichen Pathomechanismus eine sogenannte Vakzine-induzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie (VIPIT) nahe, bei der durch die Impfung immunvermittelt Antikörper gegen Thrombozytenantigene gebildet werden. In Analogie zur Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) kann es so Fc-Rezeptor-vermittelt zu einer Thrombozytenaktivierung und Thrombose kommen.

Hinsichtlich der Basis-Diagnostik und -Therapie sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • Auftreten von Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit/Erbrechen, Anfällen meist 5-14 Tage nach der Impfung
  • Betroffen sind vor allem Frauen <55 Jahren

Bei ausreichend eindeutigem klinischen Verdacht:

  • Diagnosesicherung möglichst mittels MRT und MR-Venografie
  • Labordiagnostik mit großem Blutbild inklusive Fragmentozyten; Gerinnung inklusive INR, aPTT, Fibrinogen, D-Dimere; klinische Chemie, LDH, Haptoglobin; HIT-Diagnostik*
  • Antikoagulation bei CVST-Nachweis und vor Ausschluss HIT nicht durch Heparin, sondern durch Argatroban, Danaparoid oder NOAK*
  • Bei positiver HIT-Diagnostik Applikation von intravenösen Immunglobulinen (IVIG) erwägen*
  • Die CVST ist ein Schlaganfall, daher mindestens Behandlung auf Stroke Unit

Die DGN wird ihrerseits Empfehlungen zu diesem Thema herausgeben und auch eine zeitnahe Registerstudie zur Erlangung weiterer Erkenntnisse auf den Weg bringen. Hier sind die Empfehlungen der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung. Diese Situation einer immer noch sehr seltenen Nebenwirkung sollte keinesfalls zu einer generellen Angst vor COVID-19 Schutzimpfungen führen, hier ist den differenzierten Empfehlungen von PEI , STIKO, EMA und den Gesundheitsbehörden zu folgen.

Besonders ist es uns als DGNI wichtig, zu betonen, dass einige dieser Fälle von CVST sehr schwerwiegend verlaufen und durch Komplikationen wie raumfordernde Stauungsinfarkte oder - blutungen, Hirnödem, epileptische Anfallsserien oder Status epilepticus lebensbedrohlich werden können. Während alle Patienten mit CVST auf einer Schlaganfall-Spezialstation (Stroke Unit) nach oben genannter Basistherapie zu behandeln sind, gilt für Patienten mit schwerem Verlauf zusätzlich:

  • Rechtzeitige Verlegung bzw. Aufnahme auf eine NeuroIntensivstation
  • Ggf. rechtzeitige Intubation und Beatmung
  • Ggf. Installation eines Neuromonitorings
  • Konsequente Behandlung epileptischer Anfälle
  • Serielle zerebrale Bildgebung
  • Bei raumforderndem Prozess rechtzeitig chirurgische Dekompression erwägen

*Zu Details sei auf unten genannte Empfehlungen verwiesen. Die Situation ist im Fluss, weitere neue Erkenntnisse und Änderungen von Handlungsempfehlungen sind zu erwarten.

Literatur

1. GTH-Stellungnahme, Aktualisierte Stellungnahme der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V. zur Impfung mit dem AstreZeneca COVID-19 Vakzin, Stand 1. April 2021

2. Stellungnahme DGHO, AGHO, DGI, DGP zu AstraZeneca COVID-19-Vakzine Umgang mit dem Risiko von Gerinnungskomplikationen. Stand 30. März 2021

3. Kowoll C et al., Severe cerebral venous and sinus thrombosis: clinical course, imaging correlates, and prognosis, Neurocrit Care (2016) Dec. 25, 392-399

Kontakt:
Prof. Dr. med. Julian Bösel, FNCS Klinikum Kassel GmbH
Klinik für Neurologie Mönchebergstr. 41-43
34125 Kassel
phone: +49 (0)561 980 / 40 51 fax: +49 (0)561 980 / 69 79
mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


Weitere Informationen:

http://www.dgni.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:

Journalisten, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin überregional
Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch

Prof. Dr. Wolfgang Müllges

Die Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv und -Nofallmedizin trauert um ihr langjähriges Präsidiumsmitglied Prof. Dr. Wolfgang Müllges.

Wolfgang Müllges wurde 1958 in Neuwied geboren. Er schloss 1985 sein Medizinstudium an der RWTH Aachen ab und promovierte ein Jahr später. Nach seiner Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Aachen wechselte er 1991 als Oberarzt an die Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Würzburg und leitete dort seitdem die Neurologische Intensivstation. Er erwarb die Zusatzbezeichnungen Intensivmedizin und klinische Geriatrie, war seit 1994 weiterbildungsermächtigt für das Gebiet der „Speziellen Neurologischen Intensivmedizin“ und für dieses Gebiet auch Fachberater der Bayerischen Landesärztekammer. Er habilitierte 2002 zum Thema „Mikroembolien und Hirnschädigungen/Wesensänderung in der Koronarchirurgie“.

Dieser Werdegang verdeutlicht die klinischen Schwerpunkte von Wolfgang Müllges. Der Fokus seiner Arbeit lag auf der neurologischen Intensivmedizin und vaskulären Neurologie. Unter den intensivmedizinischen Themen stand er besonders für solche aus dem metabolischen (Enzephalopathie, Delir, Intoxikationen, pharmakologische Syndrome) und entzündlichen (Guillain-Barré-Syndrom, Myasthene Krise) Formenkreis und hatte einen großen Anteil an der Etablierung der Plasmapherese in der Neurologischen Intensivmedizin. Im Rahmen seiner 30-jährigen Tätigkeit als Leiter der Intensivstation in Würzburg bildete er nicht nur mehrere Generationen von Neurologen auf dem Gebiet der Intensivmedizin aus, er war auch in der Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen eine feste Instanz bei der Beantwortung klinischer Fragen und gemeinsamen Bearbeitung wissenschaftlicher Fragestellungen. Er engagierte sich interdisziplinär in der Thematik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls („Hirntod“), war in Würzburg Transplantationsbeauftragter und Mitglied des Fachbeirats der Deutschen Stiftung Organspende (DSO). Weiterhin war er Mitglied und Vorsitzender des klinischen Ethikkommittees des Uniklinikums Würzburg.

Wolfgang Müllges war ein Mann der ersten Stunde in der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin. Er war seit den 1980er Jahren aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Neurologische Intensivmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Neurologische Intensivmedizin, den Vorläuferorganisationen der DGNI. Seit der Gründung DGNI als eigenständige Fachgesellschaft im Jahr 2008 war er Mitglied, später Präsident, Vizepräsident und zuletzt Schatzmeister. Er hat sich in diesen Funktionen beispiellos für die DGNI eingesetzt und dabei seine kollegiale Fairness, sein Einschätzungsvermögen und sein wirtschaftliches Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Erfolgreich klärte er die schwierige finanzielle und steuerrechtliche Situation der DGNI. Aufgrund seiner langjährigen fachlichen und berufspolitischen Erfahrung war er ein fester Rückhalt der Fachgesellschaft.

Als Kongresspräsident richtete er 2018 in Würzburg die Arbeitstagung NeuroIntensivmedizin (ANIM) als Joint Meeting mit der amerikanischen Neurocritical Care Society (NCS) aus. Diese Tagung hat durch die damals initiierten Joint Ventures nachhaltige Wirkung auf die Verbindung beider Fachgesellschaften hinterlassen. Die anlässlich des Kongresses gewählten Schwerpunktthemen Langzeitprognose, Neurorehabilitation und Neuropsychologie verdeutlichen Wolfgangs Bedürfnis, trotz immenser Arbeitsverdichtung und Spezialisierung in den Kliniken den individuellen und langfristigen Blick bei der Therapie schwerstkranker Patienten nicht zu verlieren. Gleichzeitig zeigte dies seinen Mut, Grenzbereiche der modernen Medizin zu adressieren.

Er hat nicht nur innerhalb der DGNI gewirkt, sondern auch über diese hinaus für ihre Verbindung zu anderen Fachgesellschaften, wie z.B. zur Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und zur Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), auf deren Kongressen er uns als Referent und in der Gremienarbeit über viele Jahre aktiv repräsentiert hat.

Mit dem Tod von Wolfgang Müllges verliert die DGNI einen Menschen und eine Persönlichkeit, die die Fachgesellschaft über viele Jahre entscheidend mitgeprägt hat. Eine Persönlichkeit mit Herz und Tatendrang, Schlagfertigkeit und hintergründigem Witz, der im entscheidenden Augenblick mit fachlichem und politischem Hintergrundwissen präsent war und sich für seine Überzeugungen und für die Belange der Fachgesellschaft ein- und durchsetzte.

Wir werden Wolfgang sehr vermissen und versuchen, die Geschicke der DGNI auch in Zukunft in seinem Sinne weiterzuentwickeln.

Das Präsidium der DGNI und ehemalige Präsidiumsmitglieder

Bild: Uniklinikum Würzburg

dgknVon der Vorhersage neurologischer Erkrankungen und neuen Therapien über Gesundheits-Apps bis hin zu künstlicher Intelligenz und Modulation von Hirnarealen: Bahnbrechende Innovationen in der Klinischen Neurophysiologie werden beim 65. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) vom 10. – 12. März 2021 vorgestellt. Ärzte und Wissenschaftler tauschen sich digital und live über aktuelle Fortschritte zur Funktion von Gehirn und Nerven sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der klinischen Anwendung aus.

Wie Prof. Dr. Felix Rosenow, Frankfurt, Präsident der DGKN und Kongresspräsident, betont, wird der Fortschritt in der Neurophysiologie beschleunigt durch Machine Learning und weltweiten Datenaustausch, Virtual Reality und Genetik sowie die interdisziplinäre und internationale Vernetzung. Das wissenschaftliche Programm umfasst die gesamte Bandbreite der klinischen Neurophysiologie mit Themenschwerpunkten im Bereich des EEGs und MEGs, der Konnektivität und funktionellen Bildgebung sowie der Anwendung neurophysiologischer Methoden auf der Intensivstation. Alle Informationen und das wissenschaftliche Programm gibt es unter www.dgkn-kongress.de.

Die S1-Leitlinie „Neurologische Manifestationen bei COVID-19“ wurde im August 2020 unter Federführung von Prof. Dr. med. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN, veröffentlicht und als „Living Guideline” mit einer jährlichen Aktualisierung und kontinuierlichen Überprüfung angelegt, damit wissensbasierte Empfehlungen zeitnah und flexibel zur Verfügung gestellt werden können. Von Seiten der DGNI wird die Leitliniengruppe von Prof. Dr. med. Julian Bösel, Kassel, und Prof. Dr. med. Georg Gahn, Karlsruhe, unterstützt. Nun gibt es ein erstes Update.

Nach den ersten Erkenntnissen, dass es bei COVID-19-Erkrankungen zum Auftreten von neurologischen Manifestationen wie Riech- und Geschmacksstörungen, Enzephalopathien, Enzephalomyelitiden, ischämischen Schlaganfällen und intrazerebralen Blutungen sowie neuromuskulären Erkrankungen kommen kann, gibt es nun weitere relevante Erkenntnisse im Hinblick auf neurologische Manifestationen, ihre Therapien sowie die besondere Risikokonstellation von Patientinnen und Patienten mit neurologischen Erkrankungen. Eine wichtige Botschaft ist es, dass bei ihnen keine Kontraindikation gegen die SARS-CoV-2-Impfung vorliegt. Eine weitere bedeutsame Erkenntnis: Menschen, die in der Vergangenheit einen Schlaganfall erlitten haben, sind eine COVID-19-Hochrisikogruppe. Das Leitlinien-Update beleuchtet alle wesentlichen neurologischen Aspekte der COVID-19-Erkrankung und gibt Informationen zur Pathogenese, Prognose, Diagnostik und Therapie auch im Hinblick auf anhaltende Symptome. Eine abnorme Erschöpfbarkeit (Fatigue) und neurokognitive Probleme sind häufige COVID-19-Krankheitsfolgen, welche auch nach leichten Verläufen der Akuterkrankung fortbestehen können. Das Update zur S1-Leitlinie „Neurologische Manifestationen bei COVID-19“ vom 22.02.2021 ist abrufbar unter https://dgn.org/leitlinien/neurologische-manifestationen-bei-covid-19

Bewerbungsfrist: 31. August 2021, Dotation: 5.000 Euro

DGNDer Preis wird gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V. (DGN) und der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin e. V. (DGNI) für innovative, therapierelevante Forschung in der neurologischen Intensivmedizin und Notfall-Neurologie ausgeschrieben. Die Auszeichnung wird während der Eröffnungsveranstaltung auf der Arbeitstagung der DGNI in Form einer Urkunde verliehen und ist mit einer Geldprämie von 5.000 Euro verbunden. Der Preis firmierte bis 2020 als „Hans Georg Mertens-Preis“. DGNIDas Preiskuratorium setzt sich aus den jeweiligen Präsidentinnen/ Präsidenten der DGN und DGNI und je zwei weiteren Vertretern beider Fachgesellschaften zusammen. Die Bewerbungsunterlagen sollen ein Bewerbungsschreiben, die drei wichtigsten Arbeiten, das Schriftenverzeichnis und den Lebenslauf der Bewerberin/ des Bewerbers umfassen. Sie sind als PDF per E-Mail bis zum 31. August 2021 zu richten an die Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V., E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Bewerbungsfrist: 30. September 2021, Dotation: 20.000 Euro

DGNIDie Deutsche Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin schreibt in diesem Jahr einen Preis zur Projektförderung von NachwuchswissenschaftlerInnen aus. Der Preis wird für innovative Forschungsprojekte in der NeuroIntensivmedizin verliehen, die sich mit den Zielen der Satzung gemäß §2 decken. Das Preisgeld kann durch das Preiskuratorium aufgeteilt werden. Die Bewilligung der Förderung wird während der Eröffnungsveranstaltung auf der ANIM vom 20.-22. Januar 2022 im Forum Ludwigsburg in Form einer Urkunde verliehen und ist mit einer Geldprämie von bis zu 20.000 Euro verbunden. Die Preisträgerin/der Preisträger ist Mitglied der DGNI und mit der Annahme des Preises zur schriftlichen und persönlichen Vorstellung der Forschungsergebnisse auf der ANIM verpflichtet. Das Preiskuratorium setzt sich aus dem Präsidenten und weiteren Vertretern der DGNI zusammen. Die Bewerbungsunterlagen sollen ein Bewerbungsschreiben von maximal 5 Seiten einschließlich einer aussagekräftigen Projektskizze, einer Darstellung der geplanten Verwendung des Preisgeldes einschließlich des Overheads der Einrichtung, der drei wichtigsten Publikationen oder Vorarbeiten, einen tabellarischen Lebenslauf der Bewerberin/ des Bewerbers und eine Verpflichtungserklärung des Klinikdirektors umfassen. Sie sind als PDF per E-Mail bis zum 30. September 2021 an die Schriftführerin der DGNI, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! zu richten.