Welche wichtige Rolle sowohl die Forschung in der NeuroIntensiv- und Notfallmedizin als auch die besondere Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses für die DGNI spielen, wurde bei der Preisverleihung der diesjährigen ANIM 2020 in Karlsruhe wieder einmal deutlich. Die Förderungspreise der DGNI sowie die Posterpreise wurden feierlich von Prof. Dr. med. Georg Gahn M.B.A., Karlsruhe, übergeben. Die Preisträger des Hans Georg Mertens-Preises, des Nachwuchsförderungspreises und der drei Posterpreise geben im Interview einen kurzen Einblick, was die Preise für sie und ihre weitere Forschung bedeuten und wie sie eingesetzt werden sollen.

Im Rahmen der Kongresseröffnung wurde Prof. Dr. med. Hagen Huttner, Erlangen, mit dem mit 5.000 Euro dotierten Hans Georg Mertens-Preis ausgezeichnet. Diesen Preis für innovative, therapierelevante Forschung in der NeuroIntensiv- und Notfallmedizin verleiht die DGNI alle zwei Jahre zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

Herr Professor Huttner, was bedeutet diese besondere Auszeichnung mit dem Hans Georg Mertens-Preis für Sie?

Hagen Huttner: Es ist natürlich eine enorme Ehre, sich hier in die Liste der Preisträger einreihen zu dürfen, und ich möchte dem Preiskuratorium herzlich danken! Der Preis ist ja maßgeblich für die Konsortiumpublikationen zu Fragestellungen bei Patienten mit Hirnblutungen vergeben worden und ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen partizipierenden Zentren für die konstruktive Kooperation über die vergangenen Jahre hinweg zu danken.

Der Hans Georg Mertens-Preis ist dotiert mit 5.000 Euro. Wie werden Sie ihn voraussichtlich einsetzen und welche weiteren Projekte wird es voraussichtlich geben?

Hagen Huttner: Wir planen, das Preisgeld in kleinere monozentrische Analysen einfließen zu lassen. Der Preis bestärkt mich natürlich, weitere neurointensivmedizinische Studien durchzuführen. Ferner werden wir das Preisgeld für einen Lab Retreat mit der gesamten AG verwenden.

Wie ist die weitere Planung – wann geht’s los?

Hagen Huttner: Die Forschungsprojekte laufen schon parallel, es sind eine Vielzahl an weiteren Analysen in Planung inklusive wichtiger bislang ungeklärter Therapie-Fragestellungen, die wir erneut in großen Kollaborationsverbünden versuchen zu beantworten.

Der DGNI Nachwuchsförderungspreis, mit dem junge Ärzte und Wissenschaftler für herausragende Arbeiten im Bereich der Intensiv- und Notfallmedizin ausgezeichnet werden, ging in diesem Jahr an Dr. Hannah Fuhrer, Freiburg, deren wissenschaftliche Arbeit sich mit der Frage beschäftigt: „Ist die kardiale Auswurfleistung ein besserer Therapieparameter auch bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall?“ Zur Kongresseröffnung präsentierte sie einige Ergebnisse ihrer Forschung.

Frau Dr. Fuhrer, was bedeutet es für Sie, dass Ihre wissenschaftliche Arbeit mit dem DGNI Nachwuchsförderungspreis 2020 ausgezeichnet wurde?

Hannah Fuhrer: Es freut mich sehr, dass dieses spannende Studienprojekt diese Auszeichnung erhalten hat, da wir alltags- und outcome-relevante Therapieoptionen für Patienten mit schweren Schlaganfällen untersuchen. Dieses Projekt könnte die Basis dafür liefern, die hämodynamische Akuttherapie bei Patienten mit großen Hirninfarkten zu ergänzen.

Wissen Sie schon, wie Sie den Preis voraussichtlich einsetzen? Welche weiteren Projekte soll es geben?

Hannah Fuhrer: Das Preisgeld wird dazu verwendet werden, das Projekt "voranzutreiben", indem v.a. eine ärztliche Forschungsfreistellung erfolgen wird. Möglicherweise werden die Ergebnisse weitere Projekte in diesem Bereich anstoßen, das wird sich zeigen.

Wie ist die weitere Planung – wann geht’s los?

Hannah Fuhrer: In Kliniken in Freiburg und Jena werden bereits Patienten rekrutiert. Ich freue mich, dass wir zudem Kliniken in Giessen und Tel Aviv als weitere Zentren gewinnen konnten, die hoffentlich bald initiiert werden können. Wie freuen uns über weiteres Interesse, gern können weitere Zentren an unserem Projekt teilnehmen (Kontaktaufnahme per Mail an mich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!). Die Patientenrekrutierung wird 2020 noch nicht abgeschlossen sein, aber ich werde auf der ANIM 2021 erste Ergebnisse präsentieren können!

Auch die drei Posterpreise für aktuelle Forschungsarbeiten wurden bei der ANIM 2020 durch Prof. Gahn verliehen.

Den mit 800 Euro dotierten 1. Posterpreis bekam Karina Neumann, Köln für ihre Arbeit: „Repetetive Therapie mit hyperbarem Sauerstoff hemmt die inflammatorische Antwort und Astrogliose im verletzten Rattenhirn und führt zur neurologischen Verbesserung nach Schädel-Hirn-Trauma im Experiment – Implikation für den translationalen Einsatz in der Neurologie und Neurochirurgie“.

Frau Neumann, was bedeutet diese besondere Auszeichnung bei der ANIM für Sie?

Karina Neumann: Die von mir präsentierte Studie beruht auf einer langjährigen Kooperation zwischen dem Institut für Neurophysiologie in Köln und der Forschungseinheit für Experimentelle Neurotraumatologie unter der Leitung von Frau Prof. Ute Schäfer in Graz. Das Vertrauen von Frau Prof. Schäfer und das meines Mentors Dr. Dr. med. Marek Molcanyi ermöglichten es mir als junge Wissenschaftlerin, an diesem Projekt teilzunehmen und Mitglied eines internationalen Teams zu werden. Somit betrachten wir alle die Auszeichnung der Forschungsarbeit mit dem 1. Posterpreis, die ich stellvertretend für das gesamte Team entgegennehmen durfte, als große Ehre. Für mich persönlich aber bringt die Auszeichnung eine Wertschätzung für meine individuelle, im Rahmen dieses Projekts erbrachte Leistung zum Ausdruck und motiviert mich, in diesem Forschungsfeld weiterhin tätig zu sein – zumal die bereits erarbeiteten und zum Teil veröffentlichten Forschungsergebnisse ein hohes Potenzial für weitere Untersuchungen bieten.

Wie werden Sie den Preis voraussichtlich einsetzen? Und welche weiteren Projekte soll es geben?

Karina Neumann: Aufgrund der persistierenden Prävalenz ist das Schädel-Hirn-Trauma (SHT), unabhängig welchen Grades, Gegenstand intensiver neurowissenschaftlicher Forschung. Bislang gibt es weder einen pharmakologischen noch einen neurologisch-interventionellen Ansatz, der die Auswirkungen eines schweren SHT vollständig verbessert.

Eine repetitive Langzeittherapie mit hyperbarem Sauerstoff (HBOT) stellt eine potente Therapiemodalität für stabile SHT-Patienten sowie eine neuroprotektive Option für die Optimierung anderer invasiver Verfahren dar, bei denen ein Mikrotrauma am Hirngewebe unumgänglich ist. Die der HPOT-induzierten Neuroregeneration zugrunde liegenden zellulären Mechanismen (z.B. die von uns beobachtete Remyelinisierung und Reduktion der pathologischen Immunantwort) sollen in künftigen in-vitro-Projekten sowohl an primären Zellen als auch an iPSC-derived neuralen Vorläuferzellen – “induced Pluripotent Stem Cells”, im Labor aus gewöhnlichen Gewebezellen hergestellten, künstlich reprogrammierten pluripotenten Stammzellen – untersucht werden. Des Weiteren soll der Einfluss der Langzeit-HBO Therapie auf die immer noch umstrittene endogene Neurogenese untersucht werden. Infolgedessen wird das Preisgeld für weitere Forschungsarbeiten rund um das Themengebiet der SHT und der HBOT-assoziierten neurologischen Verbesserung genutzt.

Wie sieht Ihre weitere Planung aus?

Karina Neumann: Mein persönliches Ziel ist es, zunächst den Masterstudiengang zu beenden und im Anschluss im Bereich der Neurowissenschaften zu promovieren. Aus wissenschaftlicher Sicht würde ich gern weitere internationale Kooperationen im Bereich der Neuroregeneration bilden, um den Patienten mit zerebralen Schädigungen in Zukunft eine adäquate Therapiemöglichkeit und vielleicht sogar ein Leben ohne Langzeitbehinderung zu ermöglichen. Die von mir bisher überwiegend erforschte HBOT ist bereits eine klinisch etablierte Therapieform, die hoffentlich eine Chance bekommt, im Rahmen der neurologischen Intensivtherapie und Neurorehabilitation implementiert zu werden. Bis dahin ist es zwar noch ein sehr langer und wahrscheinlich auch steiniger Weg, aber ich bin gespannt und freue mich, diesen Weg in der Forschung zu gehen.

Der 2. Posterpreis ging an Anne Mrochen, Erlangen, für ihr Projekt „Blutdruck- und Gerinnungsmanagement der intrazerebralen Blutung unter oraler Antikoagulation in Abhängigkeit von der Dienstzeit bei Krankenhausaufnahme“.

Frau Mrochen, schon bei der ANIM 2019 in Berlin wurden Sie mit einem Posterpreis für Ihre Forschung ausgezeichnet. Was bedeutet es für Sie, dass Sie nun auch bei der ANIM 2020

mit einem Preis geehrt wurden, diesmal mit dem 2. Posterpreis?

Anne Mrochen: Die Auszeichnung ist für mich eine große Ehre und Motivation und ich bedanke mich ganz herzlich. Ich freue mich sehr, dass das Projekt gefördert wird und möchte mich bei allen Co-Autoren für die Unterstützung bei der Durchführung bedanken.

Wie soll der Preis eingesetzt werden?

Anne Mrochen: Das Preisgeld wird in erster Linie für die Finanzierung weiterer klinischer Studien im Bereich der NeuroIntensivmedizin eingesetzt.

Und wie ist Ihre weitere Planung?

Anne Mrochen: Das Projekt „Blutdruck- und Gerinnungsmanagement der intrazerebralen Blutung unter oraler Antikoagulation in Abhängigkeit von der Dienstzeit bei Krankenhausaufnahme“ wurde bereits als Publikation eingereicht und befindet sich aktuell in Revision. Zukünftig sind weitere, auch multizentrische klinische Studien im Bereich der NeuroIntensivmedizin geplant.

Mit dem 3. Posterpreis wurde Dr. med. Stefanie Kästner, Kassel, für ihre wissenschaftliche Arbeit „Revision, Surgery following CSF Shunt Insertion – How often could it be avoided?“ ausgezeichnet.

Frau Dr. Kästner, was bedeutet es für Sie, dass Sie mit dem 3. Posterpreis bei der ANIM 2020 ausgezeichnet wurden?

Stefanie Kästner: Mir bedeutet der Preis wirklich viel, denn dieses Poster beschäftigt sich mit Komplikationen, Misserfolgen, ja sogar Fehlern, und mit seinen "schlechten Fällen" geht man nicht so gern hausieren - auch wenn man natürlich genau weiß, dass wir alle am meisten aus unseren Fehlern lernen. Dieser Preis zeigt mir, dass es richtig war, dieses Thema trotzdem anzugehen. Es ist ein sehr gutes Gefühl, dass diese Arbeit so wertgeschätzt wird.

Wie soll der Preis eingesetzt werden?

Stefanie Kästner: Ich denke, dass ich das Preisgeld an den Förderverein der Kinderschutz-Gruppe in unserem Klinikum spende.

Und wie sieht Ihre weitere Planung aus?

Stefanie Kästner: Meine weitere Planung? Ich werde diese Arbeit auf "Hydrocephalus2020" (Annual Meeting of the International Hydrocephalus Society ISHCSF) in Göteborg anmelden.

Außerdem würdigte die DGNI Pflegekräfte, die in einer Projektarbeit professionelles Wissen und Handeln zeigen, das zur Verbesserung der intensivmedizinischen Patientenversorgung in der Neurologie und Neurochirurgie beiträgt, mit dem mit 500 Euro dotierten DGNI Pflegepreis. Dieser Preis ging 2020 zum ersten Mal an eine Therapeutin: Pauline Grau aus dem niedersächsischen Bad Laer setzte sich in der Endrunde gegen zwei andere Kandidaten durch und konnte die fünfköpfige Jury mit ihrer eindrucksvollen Präsentation einstimmig für sich gewinnen.

Zur Bewerbung für den Pflegepreis 2021 bei der nächsten ANIM in Berlin können veröffentlichte oder unveröffentlichte Projektarbeiten zum Thema NeuroIntensivmedizin eingereicht werden, die nicht älter als 24 Monate sind.