L Berthiaume, D Zygun
In: Crit Care Clin 2007; 22; 753-766

 

BEWERTUNGSSYSTEM

*****    = hervorragende Arbeit
****    = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit
***    = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet
**    = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel
*    = erhebliche Mängel

 

NIMA 08


Bewertung: *





Zielstellung:

Entzündungsreaktionen kritisch kranker Patienten sind häufig dysreguliert. Dies hat zur Folge, dass es zu sekundären Organschäden und letztendlich zum Multiorganversagen führen kann. Bislang war man davon ausgegangen, das Gehirn sei immunologisch inaktiv. Inzwischen sollen neuroinflammatorische Prozesse bedeutsam für sekundäre Organschädigungen sein und diese das klinische Outcome von Patienten mit Hirnschädigungen entscheidend beeinflussen.
Dabei lag der Betrachtungsschwerpunkt auf pulmonale Erkrankungen, wobei auch auf kardiale, renale, hämatologische und hepatische Organdysfunktionen eingegangen wurde.

Design:

Anhand einer Literaturübersicht wurde versucht, den Einfluss extrazerebraler (pulmonaler, kardialer, renaler, hämatologischer, hepatischer) Organdysfunktionen auf das klinische Outcome von Patienten mit Hirnschädigungen darzustellen.

Ergebnisse:

Pulmonale Dysfunktionen, wie das Acute pulmonary distress syndrome (ARDS) und die Pneumonie sind unabhängige Prediktoren für ein schlechtes Outcome und mit einer hohen Letalität für Patienten mit Hirnschädigungen assoziiert. Das Therapiemanagement pulmonaler Funktionsstörungen beim Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma zeigte für den intrazerebralen Druck (ICP) und den zerebralen Perfusionsdruck (CPP) bekannte negative Effekte (Anstieg des ICP und Reduktion des CPP) bei Bauchlagerung, permissiver Hyperkapnie und Recruitmentmanövern der Lunge. Die Beatmung mit Hochfrequenzoszillation verbesserte die Oxigenierung (Anstieg des arteriellen Sauerstoffpartialdruckes) und verminderte den ICP. Ferner senkte die selektive antibiotische Dekontamination des Gastrointestinaltraktes infolge Prävention nosokomialer Pneumonien die Letalität, steigerte aber die Gefahr mikrobieller Resistenzentwicklungen. So geht es dann weiter mit der Bedeutung kardialer Funktionsstörungen, wie wiederholte hypotensive Episoden und ein reduzierter Cardiac Index als unabhängige Prädiktoren für ein schlechtes klinisches Outcome, oder mit der Bedeutung symptomatischer Vasospasmen bei Subarachnoidalblutungen (SAB). Zwar soll der Einsatz von Betablockern bei SAB-Patienten die Inzidenz myokardialer Nekrosen verringern, aber letztlich durch negativ inotrope bzw. blutdrucksuppressive Effekte auf den zerebralen Perfusionsdruck keinen sicheren Behandlungsgewinn erzeugen. Dagegen schienen Dobutamin und Beta-Adrenergika sowohl die myokardiale Funktion als auch den zerebralen Blutfluss zu verbessern. Schließlich wurde auch auf die Koagulopathien hinsichtlich ihrer negativen sekundären hämorrhagischen oder thrombembolischen Ereignisse verwiesen.

Kommentar:

Die Arbeit kann keinerlei Erkenntnisgewinn vermitteln. Jedes 2. Literaturzitat stammt aus dem letzten Jahrhundert.
Dass ARDS, Pneumonien, rezidivierende hypotone Episoden im Rahmen kardialer Funktionsstörungen sowie Koagulopathien den klinischen Verlauf ebenso negativ beeinflussen können wie Bauchlagerung, permissive Hyperkapnie und Recruitmentmanövern der Lunge durch Erhöhung des ICP und Reduktion des CPP, waren und sind fester Bestandteil von intensivmedizinischen Therapiestrategien. Die als erfolgversprechend beim ARDS vorgestellte Hochfrequenzoszillation auf die Senkung des ICP bei gleichzeitiger verbesserter Oxigenierung wurde leider nicht im Zusammenhang mit den Reboundphänomenen diskutiert. Auf die "positiven Effekte" von aktiviertem rekombinantem Faktor VII bei spontanen intrazerebralen Blutungen wäre angesichts des Publikationsjahres besser verzichtet bzw. auf die erfolglose FAST 2-Studie hingewiesen worden. Die drastischen didaktischen und inhaltlichen Defizite lassen formale Mängel, wie falsch zugeordnete Literaturangaben (Text versus Literaturverzeichnis) als Bagatellen erscheinen.

(C. Hobohm)