Annane, D, Bellissant E, Bollaert PE, Briegel J, Confalonieri M, De Gaudio R, Keh D, Kupfer Y, Oppert M, Meduri GU
In: JAMA 2009; 301: 2362-2375

 

BEWERTUNGSSYSTEM

*****    = hervorragende Arbeit
****    = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit
***    = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet
**    = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel
*    = erhebliche Mängel

 

NIMA_1-2010


Bewertung: ****





Zielstellung:

Es wurden die Vorteile und Risiken einer Kortikoidtherapie bei Patienten mit einer schweren Sepsis oder septischem Schock unter Berücksichtigung der Dosis und Dauer der Gabe untersucht.


Design:

Systematisches Review und Meta-Analyse randomisierter oder quasi-randomisierter kontrollierter Studien mit oder ohne Verblindung mit Fokus auf erwachsene Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock. Als niedrigdosierte Kortisontherapie wurde eine tägliche Gesamtdosis von bis zu 300mg Hydrokortison oder Äquivalent gewertet, höhere Dosen wurden als Hochdosistherapie gruppiert. Als Kurzzeitgabe wurde eine Dosisgabe von weniger als 5 Tagen definiert, darüber als Langzeitgabe. Als primärer outcome Parameter wurde die Gesamt-28-Tage-Mortalität angenommen. Im Falle älterer Studien, in denen eine 14-Tage oder Krankenhausmortalität angegeben wurde, wurden diese Daten verwandt, wenn es nicht gelang, die Gesamt-28-Tage-Mortalität zu errechnen. Sekundäre Parameter waren ICU- bzw. Krankenhaus-Mortalität und Länge des Aufenthaltes in Überlebenden, die Zahl der Patienten mit Reversibilität des Schocks zum Zeitpunkt des 7. und 28. Tages und die Zahl der Patienten mit Nebenwirkungen. Ausgewertet wurden die Outcomeparameter für jede Studie in 2x2 Tafeln, wobei jeder Studie ein gewichteter Therapieeffekt zugewiesen wurde. Die Ergebnisse wurden als Risikorelationen mit 95%-igem Konfidenzintervall angegeben.


Wichtige Resultate:

Bezüglich der Gesamt-28-Tage-Mortalität zeigte sich in 17 randomisierten, kontrollierten Studien (n=2138 Patienten) und 3 quasirandomisierten, kontrollierten Studien (n=246) kein Effekt bzgl. einer Kortisontherapie. Eine Subgruppenanalyse in n=1228 Patienten zeigte einen positiven Effekt auf die Gesamt-28-Tage-Mortalität, wenn eine längere, niedrigdosierte Kortisontherapie durchgeführt wurde. Bzgl. des Parameters der Reversibilität des Schocks am 7.-Tage zeigte sich für die prolongierte, niedrigere Kortisontherapie ein positiver Effekt. Die Schockreversibilität am 28. Tag war ebenfalls in der vorgenannten Kortisongruppe höher. Die Länge des ICU-Aufenthaltes fiel generell in der Kortisongruppe niedriger aus. Die Länge des Krankenhausaufenthaltes der Überlebenden zeigte aber keine signifikanten Gruppenunterschiede bzgl. einer Kortisontherapie. An Nebenwirkungen zeigten sich eine Hyperglykämie und Hypernatriämie in den Kortisongruppen. Bzgl. gastrointestinaler Blutungen, Superinfektionen oder neuromuskulärer Schwäche ergaben sich keine signifikanten Zusammenhänge.

Schlussfolgerungen:

In der Zusammenfassung wird davon ausgegangen, dass eine Kortisonmedikation einer schweren Sepsis oder eines septischen Schocks keinen signifikanten Effekt auf die Gesamt-28-Tge-Mortalität, ICU-Mortalität oder Krankenhausmortalität aufweist. Da die statistischen P-Werte einen starken Trend für die Kortisonmedikation, wurden Subgruppenanalysen durchgeführt. Hier zeigte sich für eine prolongierte (>=5d), niedrigdosierte (<=300mg Hydrokortison oder Äquivalent) Kortisongabe eine Reduktion der Gesamt-28-Tage-Mortalität (p=0.02) und Krankenhausmortalität (p=0.05). Der Effekt wurde durch eine verbesserte Reversibilität des Schocks und damit verminderte Abhängigkeit von Vasopressoren an den Tagen 7 und 28 erklärt. Negative Effekte wie gastrointestinale Blutung, Superinfektion oder erhöhte neuromuskuläre Schwäche konnten nicht nachgewiesen werden.
Die Studie entspricht damit der Grad 2C Empfehlung der Surviving Sepsis Campaign, dass i.v. Hydrokortison erwachsenen Patienten nur dann im septischen Schock gegeben werden soll, wenn der Blutdruck schlecht auf Flüssigkeitszufuhr oder Katecholamingabe reagiert.

Kommentar:

Dies ist eine aufwändig geplante und detailliert durchgeführte Metaanalyse des Effekts von Kortison in Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock. Gegenüber früheren Studien kurzzeitiger und hochdosierter Kortisonapplikationen, die unter der Vorstellung einer antiinflammatorischen Wirkung gegeben wurden, zeigt sich in Subgruppenanalysen, dass vor allem eine prolongierte, niedrigdosierte Kortisonmedikation unter der Vorstellung einer Hormonersatztherapie einen möglicherweise positiven Effekt auf die Dauer des Schocks und 28-Tage-Mortalität hat. Die statistischen Berechnungen wurden durch heterogene Ergebnisse der Einzelstudien durch unterschiedliche Wahl der Patientengruppen oder Einschlusskriterien erschwert, lassen aber vermuten, dass ein hochgradiger positiver Effekt auch in zukünftigen Studien nicht zu erwarten ist. Demzufolge ist es für den Kliniker auch von Relevanz, dass gezeigt werden konnte, dass die relevanten adversen Effekte einer Kortisonmedikation wie gastrointestinale Blutung, Superinfektion oder Verschlechterung einer neuromuskulären Schwäche eher gering ausfallen.

(B. Rosengarten)