Preisträger (v.l.n.r.) Salih, Küstenfeld-Grefenberg, Olma, Sprügel

Zu den Highlights der ANIM gehören unbestritten die Preisverleihungen. Der Wolfgang-Müllges-Preis zu Ehren des 2021 verstorbenen ehemaligen Präsidenten, Schatzmeisters und langjährigen Präsidiumsmitglieds der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv und Notfallmedizin e.V. (DGNI), Prof. Dr. med. Wolfgang Müllges, wurde in diesem Jahr einmalig verliehen und ging an Dr. med. Farid Salih, Klinik für Neurologie an der Charité Berlin. Den DGNI-Nachwuchsförderungspreis erhielt Dr. med. Maximilian Sprügel, Assistenzarzt an der der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikum Erlangen. Silke Ivanossich von Küstenfeld-Grefenberg, Kinderkrankenschwester für pädiatrische Intensivpflege, wurde mit dem DGNI Pflege- und Therapiepreis ausgezeichnet. Dr. med. Manuel Olma, Centrum für Schlaganfallforschung an der Charité Berlin, konnte sich über den 1. Posterpreis freuen. In kurzen Interviews gaben die Preisträger Einblicke in ihre Forschungsarbeiten und nächsten Vorhaben.

DGNI NL Gewinner2023 Salih

Der einmalig ausgelobte Wolfgang-Müllges-Preis für innovative Forschungsprojekte in der NeuroIntensivmedizin ging an Dr. med. Farid Salih für seine Studie „Religion and religiosity in End-of-life deCisiOns iN neuroCritIcal care” (RECONCILE). 

Dr. Salih, was bedeutet Ihnen die Auszeichnung?

Farid Salih: Diese Auszeichnung ist nicht nur eine ganz besonders große Freude und Ehre, ich nehme sie auch mit viel Demut entgegen. Letzteres, weil die Auszeichnung in diesem Jahr einmalig mit dem Namen von Professor Wolfgang Müllges verbunden ist. Während seines jahrzehntelangen Engagements für die NeuroIntensivmedizin hat Wolfgang Müllges neben den klassischen klinischen Themenfeldern auch über den Tellerrand geschaut und sich dabei der Prognostik neuroIntensivmedizinischer Erkrankungsbilder gewidmet. Die Vergabe des Wolfgang-Müllges-Preises für das Forschungsprojekt RECONCILE (Religion and religiosity in end-of-life decisions in neurocritical care) verstehe ich auch als Auftrag, die wissenschaftliche Aufarbeitung ethnischer Aspekte in der NeuroIntensivmedizin weiter zu vertiefen. RECONCILE berührt inhaltlich Fragen, die mich jenseits meiner ärztlichen Laufbahn seit Kindheitsjahren auch in anderen Bereichen meines sozialen Lebens begleitet haben. Dabei geht es um das Aufbrechen und Widerlegen von „Schubladen-Denken“, insbesondere da, wo Menschen unterschiedlicher Kulturen sich treffen. Dies jetzt auch wissenschaftlich begleiten zu können, ist nicht nur spannend, es bereitet auch viel Spaß.

Haben Sie schon Pläne, wie Sie das Preisgeld einsetzen möchten? 

Farid Salih: Nach der abgeschlossenen monozentrischen Pilot-Studie soll RECONCILE nun innerhalb des IGNITE-Netzwerks (Initiative of German NeuroIntensive Trial Engagement) ausgeweitet werden. In einem weiteren Schritt vielleicht auch auf ausgewählte Zentren außerhalb Deutschlands, in Ländern mit anderer Häufigkeit nicht-christlicher Religionen.

Wie soll es nach diesem Erfolg für Sie weitergehen?

Farid Salih: Ich sehe einem weiteren Engagement für Themen der NeuroIntensivmedizin mit viel Spannung entgegen. Als langjähriges Mitglied der IGNITE bin ich immer sehr beeindruckt, wie divers die Themenfelder, die hier aus unterschiedlichen Zentren initiiert werden, sind. Als einer der beiden aktuellen Sprecher will ich einen Beitrag leisten, das Netzwerk für den Nachwuchs zu einer attraktiven Plattform für innovative klinische Forschungsideen aufrechtzuerhalten.


 
ANIM2023 SprügelDer DGNI-Nachwuchsförderungspreis für innovative Forschungsprojekte in der NeuroIntensivmedizin wurde vom 1. Vizepräsidenten der DGNI, Prof. Dr. Julian Bösel, an Dr. med. Maximilian Sprügel, Assistenzarzt, Neurologische Klinik des Universitätsklinikums Erlangen, verliehen. Der Wissenschaftler wurde für seine Forschung über auditiv stimuliertes Weaning geehrt.

Waren Sie überrascht, für Ihre Forschungsarbeit den Nachwuchsförderungspreis bei der ANIM 2023 zu bekommen?

Maximilian Sprügel: Es hat mich überaus gefreut, den DGNI - Nachwuchsförderungspreis zu erhalten. Ich fühle mich als Nachwuchswissenschaftler der NeuroIntensivmedizin sehr verbunden und meine Forschung der vergangenen Jahre hat sich mit unterschiedlichen neuroIntensivmedizinischen Fragestellungen beschäftigt. Das aktuelle Forschungsprojekt Voice Weaning liegt mir sehr am Herzen und ich bin fest davon überzeugt, dass das Einbeziehen von Angehörigen eine kostengünstige Therapieoption darstellt, um Patienten bei der Beatmungsentwöhnung zu unterstützen. Daher freuen mich die positiven Ergebnisse der bisherigen VOICE WEANING I- und VOICE WEANING II-Studien sowie die Förderung und Anerkennung durch den Nachwuchsförderungspreis. Der DGNI möchte ich meinen großen Dank aussprechen!

Können Sie uns kurz einige zentrale Ergebnisse ihrer Forschung erläutern?

Maximilian Sprügel:Neurologische Intensivpatienten benötigen häufig eine maschinelle Beatmung. Allerdings erschweren Bewusstseinsminderung und zentrale Atemantriebsstörungen das Weaning, also die Entwöhnung der Beatmung. In zwei Studien, welche seit 2015 auf der neurologischen Intensivstation des Universitätsklinikums Erlangen durchgeführt wurden, konnten wir zeigen, dass Angehörigenstimmen die Beatmungsentwöhnung unterstützen können. Diese Studien wurden VOICE WEANING benannt (voller Name: Voices of Patients' Relatives to Support Weaning From Mechanical Ventilation in Patients With Severe Brain Injury), da die Angehörigenstimmen aufgezeichnet und diese Audioaufzeichnungen zu bestimmten Zeitpunkten des Weaningprozesses den Patienten mittels Kopfhörern vorgespielt wurden. Bei der VOICE WEANING I-Studie handelt es sich um eine Proof-of-Concept-Studie, welche im nicht-randomisierten Design die Machbarkeit der Studienintervention zeigen konnte. Im Anschluss daran führten wir die randomisierte VOICE WEANING II-Studie durch. Aufgrund der Covid-19-Pandemie mit Einschränkung der Besucherregelungen und Verzögerungen musste die Studie nach Einschluss von 45 Patienten vorzeitig beendet werden, so dass sich hinsichtlich des primären Endpunktes (Weaning Failure) ein numerischer, aber nicht signifikanter Unterschied zeigte. Allerdings reduzierten die Angehörigenstimmen signifikant die Dauer der kontrollierten Beatmung um durchschnittlich über 20 Stunden. Sicherlich weisen diese beiden Studien einige Limitationen auf und die Einbeziehung von Angehörigenstimmen muss in weiteren Studien untersucht werden, um den therapeutischen Effekt auch auf anderweitige Endpunkte zu analysieren.

Werden Sie das spannende Thema „Voice Weaning“ weiterverfolgen?

Maximilian Sprügel: Das Thema Voice Weaning werde ich selbstverständlich weiterverfolgen. Zum einen sollen die Ergebnisse der VOICE WEANING I und II-Studien in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht werden. Zum anderen entwickeln wir gerade eine App, die den Prozess des Aufzeichnens der Angehörigenstimmen, der Audiobearbeitung, der Randomisierung und des Vorspielens der Audioaufzeichnungen wesentlich vereinfacht und so eine praktikable Durchführung der Intervention im multizentrischen Studiendesign ermöglicht. Die Unterstützung der Beatmungsentwöhnung durch Angehörigenstimmen stellt eine innovative Behandlungsmöglichkeit dar, von der insbesondere neurologische Intensivpatienten und deren Angehörige profitieren können. Ziel ist es, die Wirksamkeit der Intervention nun in einer multizentrischen Studie zu bestätigen und deren Durchführung durch eine App-basierte Lösung einfach in den klinischen Alltag zu integrieren.


 

ANIM2022 Shiney FranzSilke Ivanossisch von Küstenfeld-Grefenberg, stellte ein Projekt des Kinderneurozentrum der LMU München vor – die interprofessionelle Neuro-AG der Pädiatrischen Intensivstation. Dafür erhielt die Kinderkrankenschwester für pädiatrische Intensivpflege KIPS/PICU, Dr. von Hauner’sches Kinderspital, Klinikum der Universität München, den Pflege- und Therapiepreis durch Dr. Peter Nydahl, Kiel verliehen. Mit einem standardisierten Neuromonitoring, verbunden mit der zunehmenden Übernahme diagnostischer Verantwortung durch das Pflegepersonal, konnte die Versorgung der jungen Patienten verbessert werden, ebenso wie die Zufriedenheit des Personals.

Wie intensiv haben Sie sich auf Ihre Präsentation vorbereitet??

Silke Ivanossisch von Küstenfeld-GrefenbergDiese AG ist mein Herzensprojekt und besteht aus einem hervorragenden Team. Wir sind eine interprofessionelle, pflegeführte Neuro-AG, die sich seit 7 Jahren regelmäßig einmal im Monat trifft. Unser ursprüngliches Ziel war es, ein standardisiertes multimodales Neuromonitoring auf unserer pädiatrischen Intensivstation (KIPS) in der Haunerschen Kinderklinik zu implementieren.  Wir wollten mehr Kompetenz in der neurologischen Überwachung für die Pflege, eine optimale Versorgung für unsere Patienten und Veränderungen früher und genauer erkennen, um auf Probleme zeitnah zu reagieren und Therapien rechtzeitig zu intensivieren. Unsere Ziele konnten wir nach einigen Hürden erfolgreich umsetzen. Mir war es ein Anliegen, dass die Teamarbeit, die dahintersteckt, gesehen und auch anerkannt wird. Somit war eine gute und intensive Vorbereitung besonders wichtig. Für den Vortrag in Berlin habe ich, neben meiner alltäglichen Tätigkeit auf Station, sehr viel Zeit aufgewendet.

Was bedeutet es für sie und Ihre Arbeit, mit dem DGNI Pflege- und Therapiepreis ausgezeichnet worden zu sein? 

Silke Ivanossisch von Küstenfeld-GrefenbergDas bedeutet mir und dem ganzen Team sehr viel! Es ist wirklich toll für unsere Arbeit, in die so viel persönliches Engagement eingeflossen ist, diese Anerkennung zu bekommen. An dieser Stelle möchte ich auch betonen, dass aus meiner Sicht der Pflege- und Therapiepreis an die gesamte Neuro-AG geht. Alle Teammitglieder leisten großartige Arbeit und nur gemeinsam ist es überhaupt erst möglich, diese vielen Projekte umzusetzen. Da es sich um ein interprofessionelles Team handelt, finde ich es wichtig hervorzuheben, dass wir alle zusammen auf Augenhöhe arbeiten. Gegenseitige Wertschätzung steht bei uns im Vordergrund.

Wie soll es für Sie nach diesem Erfolg weitergehen?

Silke Ivanossisch von Küstenfeld-Grefenberg: Wir haben auch für 2023 sehr viele Projekte geplant, zum Beispiel lagen aktuell mehrere Studien an. Wir wollen neue Standards (SOP´s) entwickeln, Vorträge und Fortbildungen zu unseren Themen halten und auf den ein oder anderen Kongress fahren, um uns als Gruppe zu präsentieren. Wir hoffen, dass wir dadurch auch andere ermutigen können, ebenfalls Projekte in interprofessioneller Teamarbeit durchzuführen. Gemeinsam kann man vieles erreichen, um eine bessere Versorgung der Patienten sicherzustellen und gleichzeitig den Teamgeist zu fördern. Schlussendlich können wir uns nur verbessern, wenn wir uns mehr zutrauen, weiterentwickeln und immer neugierig bleiben.


 

ANIM2023 M.Olma Foto: Alexianer/HeymachDer 1. Posterpreis der DGNI wurde vom Kongresspräsidenten der ANIM 2023, Prof. Dr. Hartmut Vatter, an Dr. med. Manuel C. Olma, Oberarzt der Neurologischen Klinik des Alexianer St. Josefs-Krankenhaus Potsdam, verliehen. Er bekam die Auszeichnung für seine Präsentation der Ergebnisse der MonDAFIS-Studie.

Sie konnten sich gegen mehrere Mitbewerber:innen durchsetzen. Wie intensiv haben Sie sich auf Ihre Präsentation vorbereitet? 

Manuel C. Olma: Die Ergebnisse der bei der ANIM 2023 vorgestellten Studie zum „Stationären kardialen Work-up nach ischämischem Schlaganfall“ haben wir im Kreis der Mitglieder des Steering Committees der MonDAFIS Studie, die auch als Koautoren fungieren, intensiv diskutiert. Da es wenige vergleichbare Studien gibt, war die Einordnung der erhobenen Befunde nicht trivial und die Interpretation der Ergebnisse erforderte eine ausgewogene Betrachtung des Studien-eigenen Bias. Inhaltlich fühlte ich mich somit sehr gut vorbereitet.

Was bedeutet diese Preisverleihung für Sie und ihre Arbeit?

Manuel C. Olma: Den Preis sehe ich primär als Anerkennung für die Arbeit des gesamten Studienteams, das noch weit über die Ko-Autorengruppe hinausgeht und mit jahrelanger Arbeit die Grundlage für solche Analysen gelegt hat. Ich bedanke mich auch bei den Fachgesellschaften, diesen Preis entgegennehmen zu dürfen. Auch auf persönlicher Ebene ist der Posterpreis natürlich sehr erfreulich. Er motiviert mich, die bereits geplanten wissenschaftlichen Analysen neben meiner klinischen Tätigkeit als Oberarzt der Neurologischen Klinik des Alexianer St. Josefs-Krankenhaus Potsdam voranzutreiben und bestärkt mich in meinem Bestreben zu habilitieren.

Was sind Ihre weiteren Pläne?

Manuel C. Olma: Ich bin in der erfreulichen Situation, dass ich mich an der Auswertung von zwei prospektiven multizentrischen Studien beteiligen darf, neben der MonDAFIS-Studie auch am Berliner Vorhofflimmer-Register. Darüber hinaus bin ich in der glücklichen Lage, dass ich ein sehr erfahrenes Team um mich habe, dass mir immer wieder neue Perspektiven eröffnet, um komplexe Fragestellungen kritisch zu erschließen. Im Hinblick auf die wissenschaftliche Zusammenarbeit möchte ich hier gerne nennen Prof. Dr. Matthias Endres, Direktor der Klinik für Neurologischie der Charité und PI der MonDAFIS-Studie, Prof. Dr. Karl Georg Häusler, Leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Würzburg und PI des Berliner Vorhofflimmer Registers und Dr. Serdar Tütünücü, Oberarzt der Neurologischen Abteilung im Herz-Jesu-Krankenhaus, Dernbach. Ein wichtiger Schwerpunkt meiner wissenschaftlichen Arbeit wird auch weiterhin die klinische Schlaganfall-Forschung bleiben mit dem Schwerpunkt, Interaktionen zwischen Herz und Hirn näher zu beleuchten. Natürlich freue ich mich auch auf die mit dem Posterpreis verbundene Reise nach Hamburg für den Besuch bei der diesjährigen DIVI.

Allen Preisträger:innen wünschen wir bei ihren weiteren Vorhaben viel Erfolg!
(Die Interviews führte Katrin Franz.)


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