Sich gemeinsam für die NeuroIntensiv- und Notfallmedizin stark machen und dabei innovative Forschungsprojekte und Pflege- und Therapieleistungen würdigen – auf dieser Grundlage wurden im Rahmen der 39. Arbeitstagung der DGNI und DSG wieder verschiedene Preise verliehen. Der NeuroIntensiv-Preis der DGNI und DGN 2022 ging an PD Dr. med. Hermann Neugebauer, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Würzburg. Den DGNI-Nachwuchsförderungspreis erhielt Dr. med. Sae-Yeon Won, Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, Universitätsmedizin Rostock. Dr. rer. medic. Shiney Franz, Pflegewissenschaften Universitätsmedizin Göttingen, wurde mit dem DGNI Pflege- und Therapiepreis ausgezeichnet. Dr. med. Sarah Christina Reitz, Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Frankfurt am Main, konnte sich über den 1. Posterpreis freuen. In kurzen Interviews gaben die Preisträger Einblicke in ihre Forschungsarbeiten und nächsten Vorhaben.
Als amtierender DGNI-Präsident überreichte Prof. Dr. Julian Bösel den NeuroIntensiv-Preis der DGNI und DGN 2022an PD Dr. med. Hermann Neugebauer für seine innovativen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Therapie und Prognose von raumfordernden zerebralen Infarkten. Diesen Preis für innovative, therapierelevante Forschung in der NeuroIntensiv- und Notfallmedizin verleiht die DGNI alle zwei Jahre zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
Dr. Neugebauer, können Sie uns kurz einige Ergebnisse Ihrer Forschung über raumfordernde Hirninfarkte erläutern?
Hermann Neugebauer: Die aus meiner Sicht wichtigsten therapierelevanten Fragestellungen betreffen die Effektivität der Hemikraniektomie in den randomisierten Studien und der klinischen Praxis. Die Effektivität der Hemikraniektomie bezüglich der Reduktion von Mortalität und Morbidität konnten wir in einer umfassenden Meta-Analyse unter Berücksichtigung individueller Patientendaten der randomisierten Studien belegen. Hinsichtlich der Reduktion von Morbidität und Mortalität beim „malignen“ Mediainfarkt führten wir eine multizentrische randomisierte Studie zur additiven moderaten Hypothermie nach Hemikraniektomie durch. Indem wir keine Überlegenheit der Hypothermiebehandlung zeigen konnten, können Patienten mit malignem Mediainfarkt vor zusätzlichem Schaden durch die vielerorts üblicherweise eingesetzte zusätzliche Hypothermiebehandlung bewahrt werden. Zudem eröffnen die gewonnen Erkenntnisse Möglichkeiten, neue Therapiestudien zu planen, zum Beispiel zur Wirksamkeit einer kontrollierten Normothermie.
Was bedeutet die Auszeichnung für Sie?
Hermann Neugebauer: Für mich ist der NeuroIntensiv-Preis außerordentlich bedeutsam, weil er in dem Bereich der NeuroIntensivmedizin verliehen wird, die ich schon länger als geistige Heimat und zweite Familie sehe. Ich bedanke mich insbesondere bei den Fachgesellschaften und dem Kuratorium, dass ich als würdig erachtet wurde, diesen Preis zu erhalten. Ich möchte mich mit dem Preis nicht zur Ruhe setzen, wir haben weitere Studien geplant, vor allem in drei Themenbereichen: zum einen sind das weitere Sekundäranalysen aus bestehenden Daten des DESTINY-Registers, zum anderen möchte ich die Erkenntnisse der Thrombo-Inflammation auf den “malignen“ Mediainfarkt anwenden. Ich glaube, dass thrombo-inflammatorische Vorgänge eine Grundvoraussetzung für Infarktwachstum und Entstehung eines raumfordernden Ödems sind. Ebenso möchte ich mich Etabliertem zuwenden, sei dies den Qualitätsindikatoren auf den Intensivstationen oder vielleicht auch der Erforschung der Osmotherapie in der Anwendung bei „malignem“ Mediainfarkt.
Der DGNI-Nachwuchsförderungspreis wurde vom 2. Vizepräsidenten und damit zukünftigem Präsidenten der DGNI Prof. Dr. Thomas Westermaier an Dr. med. Sae-Yeon Won, Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, Universitätsmedizin Rostock, verliehen. Der Wissenschaftler wurde für seine Studie über die Bedeutung der supra- und infratentoriellen intrakraniellen Druckmessung bei Patienten mit einer Pathologie in der hinteren Schädelgrube geehrt.
Was bedeutet es für Ihre wissenschaftliche Arbeit, mit dem DGNI Nachwuchsförderungspreis ausgezeichnet geworden zu sein?
Sae-Yeon Won: Der DGNI Nachwuchsförderungspreis bedeutet für mich sehr viel, da erstens ein Teil meiner Forschungsschwerpunkte in der NeuroIntensivmedizin liegt und zweitens wir mit der Förderung das Projekt besser voranbringen können. Dafür möchte ich meinen großen Dank an die DGNI aussprechen. Bereits in der Vorarbeit konnten wir zeigen, dass ein relevanter transtentorieller Druckgradient zwischen supra- und infratentoriellen Kompartimenten besteht. Nichtdestotrotz wird die Anlage einer supratentoriellen Sonde zum Hirndruckmonitoring bei Vorliegen einer
Infratentoriellen Pathologie empfohlen, da bislang die Evidenz für das infratentorielle Hirndruckmonitoring fehlt. Daher soll im Rahmen dieser prospektiven Studie evaluiert werden, welche Bedeutung die infratentorielle Hirndruckmessung bei Vorliegen einer infratentoriellen Pathologie hat, um auf längere Sicht eine neue evidenzbasierte Empfehlung zum Monitoring des Hirndruckes in der hinteren Schädelgrube geben zu können. Initial wurde diese Studie monozentrisch begonnen, jedoch konnten wir in der Zwischenzeit weitere Zentren gewinnen.
Wie ist Ihre weitere Planung?
Sae-Yeon Won: Im Rahmen der prospektiven multizentrischen Studie sollen zunächst PatienInnen mit Kleinhirnblutungen oder -infarkten eingeschlossen werden, die unabhängig von der Studie eine chirurgische Behandlung benötigen. Im Rahmen der operativen Versorgung wird zusätzlich eine
zerebellare Hirndrucksonde implantiert. Postoperativ soll ein paralleles supra- und infratentorielles Hirndruckmonitoring auf der Intensivstation für eine Dauer von bis zu 7 Tagen durchgeführt werden, um erstens den Unterschied zwischen den beiden Hirndruckwerten festzustellen und zweitens die Bedeutung der infratentoriellen Hirndruckmessung im Hinblick auf das Outcome der Patienten zu evaluieren. Geplant ist die Rekrutierung von 40 PatientInnen innerhalb der nächsten 1-2 Jahre. Bis jetzt haben sich drei Zentren zur Teilnahme verpflichtet. Falls Interesse zur Beteiligung an dieser Studie bestehen sollte, würde ich mich über eine Kontaktaufnahme sehr freuen: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Der Pflege- und Therapiepreis wurde von Dr. Peter Nydahl, Kiel, an Dr. rer. medic. Shiney Franz, Pflegewissenschaften, Universitätsmedizin Göttingen, verliehen. Mit ihrem mitreißenden Vortrag über fördernde und hindernde Faktoren der Kommunikation in pflegerisch-therapeutischen Teams gelang es ihr, die Jury des Pflege- und Therapiepreises 2022 zu überzeugen.
Sie konnten sich gegen ihre drei Mitbewerberinnen durchsetzen. Wie intensiv haben Sie sich auf ihre Präsentation vorbereitet?
Shiney Franz: Grundlage meiner Präsentation ist meine Dissertation im Rahmen eines Promotionsstipendiums des Bundesverbands Rehabilitation BDH e. V. . Das Dissertationsthema war „Interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Pflegenden und PhysiotherapeutInnen, LogopädInnen und ErgotherapeutInnen in der neurologischen Frührehabilitation“. Zur Vorbereitung meiner Präsentation bei der ANIM 2022 habe ich verschiedene Akteure kontaktiert: den Ärztlichen Direktor und die Pflegedienstleitung der Frührehabilitationsklinik BDH Elzach – zentraler Ort meiner Dissertation – via Telefon und Emails sowie die Stationsleitung und stellvertretende Stationsleitung der Stroke Unit, Universitätsmedizin Göttingen – UMG, mein aktueller Arbeitsplatz – in direkten Gesprächen und während der zwei Stunden Tätigkeit auf Station. Damit habe ich eine Validierung meiner Erkenntnisse während der Dissertation vorgenommen und sie mit der aktuellen Situation in Göttingen verglichen.
Was bedeutet diese Preisverleihung für Sie und Ihre Arbeit über fördernde und hindernde Faktoren der Kommunikation in pflegerisch-therapeutischen Teams?
Shiney Franz: Zum einen ist dieser Preis eine Anerkennung und Wertschätzung dieses für mich sehr wichtigen Themas und somit auch meiner Arbeit zu diesem Thema. Ich hoffe, dass viele FachkollegInnen an das Thema herangeführt werden, sich damit auseinandersetzen und sich für eine bessere interprofessionelle Teamarbeit engagieren.
In welche Richtung soll es nach diesem Erfolg für Sie weitergehen?
Shiney Franz: Ich wünsche mir, dass die Präsentation mit dazu beiträgt, viele neue interprofessionelle Projekte ins Leben zu rufen und zu begleiten. So hat der BDH ein weiteres Promotionsstipendium als Fortsetzung meiner Arbeit zum Thema „Interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen MedizinerInnen und Pflegenden“ vergeben. In der UMG leite ich aktuell ein Projekt auf zwei Pilotstationen zum Thema „Starke Pflege – Starke Teams“ gemeinsam mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement, das von der Technikerkrankenkasse gefördert wird. Am Gesundheitscampus der HAWK – der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, einem Kooperationspartner der UMG –, lehre ich in verschiedenen interprofessionellen Modulen, was dazu beiträgt, dass die verschiedenen Gesundheitsprofessionsangehörigen während ihres Studiums von- und miteinander lernen können.
Der 1. Posterpreis der DGNI wurde vom Kongresspräsidenten der ANIM 2022 Prof. Dr. Oliver Sakowitz an Dr. med. Sarah C. Reitz, Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Frankfurt , verliehen. Sie bekam die Auszeichnung für ihren Vortrag „‘Change in feeding route` bei neurologisch/neurochirurgischen Intensivpatienten“.
Waren Sie überrascht, für Ihre Untersuchung den 1. Posterpreis bei der ANIM 2022 zu bekommen?
Sarah C. Reitz: Überrascht ist das falsche Wort, in jedem Falle war ich hocherfreut, denn es spricht für die Relevanz des Themas. Und natürlich ist es eine Wertschätzung der Arbeit meines gesamten Teams.
Werden Sie das spannende Thema über den Einfluss der Ernährungsform bei Patienten auf neurologischen und neurochirurgischen Intensivstationen weiterverfolgen?
Sarah C. Reitz: Auch angespornt durch den Posterpreis, werde ich gemeinsam mit Frau Dr. Lapa, der Leiterin unserer Sektion für Sprach- und Schluckdiagnostik im Zentrum für Neurologie und Neurochirurgie des Universitätsklinikums Frankfurt, versuchen, dieses Thema auszuweiten. Für uns wäre es ein anzustrebendes Ziel, durch unsere Arbeit die Logopädie als feste Instanz einer neurologisch/neurochirurgischen Intensivstation (N-ICU) implementieren zu können. Ein weiterer Schritt wäre natürlich die logopädische Versorgung von Intensivstationen über die N-ICU hinaus zu fördern, denn wir sind davon überzeugt, dass auch andere Intensivpatienten von einem qualifizierten Dysphagie-Assessment profitieren würden.
Was sind Ihre weiteren Pläne?
Sarah C. Reitz: Ich habe so viele Ideen in meinem Kopf, die ich gerne umsetzen würde, insbesondere die interdisziplinäre Arbeit macht mir viel Spaß. Ich habe das Glück, in einem tollen Team arbeiten zu dürfen, dass mir die Möglichkeit gibt, neurologische, neurochirurgische und anästhesiologische Fragestellungen miteinander zu verknüpfen. Ein wichtiger Schwerpunkt wird weiterhin die Dysphagie-Forschung insbesondere im Kontext intensivmedizinischer Patienten sein, hier schweben mir vor allem multizentrische Ansätze vor. Ich glaube, die Zukunft hält viele spannende Themen gerade im Bereich NeuroIntensivmedizin bereit. Ich freue mich schon!
Allen Preisträgern wünschen wir bei ihren weiteren Vorhaben viel Erfolg!
Frühere Meldungen:
Preisverleihung bei der ANIM 2021
Preisverleihungen bei der ANIM 2020 in Karlsruhe
Preisverleihung bei der ANIM 2019 in Berlin
Jahreskongress ANIM