Hightech am Krankenbett – in keinem anderen Bereich im Krankenhaus gibt es so viele hochkomplexe medizinische Geräte wie auf der Intensivstation. Gerade im neurologischen und neurochirurgischen Bereich, in dem der Umgang mit PatientInnen mit Bewusstseinsstörungen ganz besondere Anforderungen bedeutet, können die Herausforderungen an die professionelle Pflege sehr komplex sein. Ein personenzentrierter, konzeptgestützter Ansatz verlangt von den Pflegenden empathische Kommunikationsfähigkeiten sowie ein umfangreiches Wissen bis hin zur Akademisierung. Gerade diese besonderen Herausforderungen aber sind es, die den Pflegeberuf auf der NeuroIntensivstation attraktiv machen, betont Dr. Peter Nydahl (MScN, BScN), Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein.

In der professionellen Pflege im neurologischen und neurochirurgischen Bereich mit PatientInnen mit Bewusstseinsstörungen können die Herausforderungen sehr komplex sein. Pflege im Neuro-Intensivbereich stellt besondere Anforderungen: ein personenzentrierter, konzeptgestützter Ansatz, empathische Kommunikationsfähigkeiten sowie ein umfangreiches Wissen bis hin zur Akademisierung. Diese Herausforderungen machen den Pflegeberuf auf der NeuroIntensivstation attraktiv, sagt Dr. Nydahl.

Tatsächlich gibt es auf Intensivstation einen ganzen Maschinenpark hochkomplexer Hightech-Geräte. Dass NeuroIntensivpflege darüber hinaus richtig interessant sein kann, macht der Einsatz eines personenzentrierten Ansatzes deutlich. Wenn ein Patient basal stimulierend und beruhigend gewaschen wird, könne es oft passieren, dass der Patient dabei einschläft. Gerade bei Menschen mit Bewusstseinsstörungen ermögliche eine personen- und biographieorientierte Pflege einen anderen Zugang, wie Dr. Nydahl mit mehreren Situationen aus der pflegerischen Praxis betont:

„Eine Patientin presste bei der Mundpflege die Lippen fest aufeinander und alles Zureden half nichts, aber als ihr ihr eigenes Mundwasser gezeigt wurde, spülte sie sich selbst den Mund aus. Eine andere Patientin mit Schädelhirntrauma und mit prolongierter Bewusstseinsstörung, der ein Lied in ihrem Atemrhythmus vorgesummt wurde, öffnete erstmalig die Augen, fixierte ihr Gegenüber und lächelte. Ein junger Mann mit schwerer Spastik nach Meningoencephalitis, bei dem die Freundin in die Pflege integriert wurde und sich schließlich mit zu ihm ins Bett gelegt und ihn in den Arm genommen hatte, konnte sich daraufhin das erste Mal entspannen.“

Solche Situationen gebe es viele, die jedes Mal eine „pflegerische Gänsehaut“ auslösten, ein Highlight in der täglichen Versorgung. Mitunter benötige es detektivischen Spürsinn, um ein pflegerisches Problem zu lösen. Man suche so lange, bis ein Ansatz gefunden worden sei: „Diese Highlights sind nicht 24 Stunden am Tag möglich, aber ein einziger solcher Moment macht es wert.“

Gerade bei PatientInnen mit Bewusstseinsstörungen könne eine personenzentrierte, konzeptgestützte Interaktion viele solcher Highlights bewirken. Dies erfordere ein Interesse für die Persönlichkeit eines anderen Menschen, Empathie für die aktuelle Situation und natürlich ein umfangreiches Wissen. Gerade in der Neuro-Intensivpflege gibt es zahlreiche Weiterbildungen, die Expertenstatus vermitteln: Weiterbildung zur Pflegefachkraft für (die genauen Bezeichnungen weichen im Detail ab) Intensivpflege und Anästhesie, Stroke, Morbus Parkinson, Analgesiologie sowie basale Stimulation, Kinästhetik, Bobath, Lagerung in Neuralstellung, Aromapflege, etc.. Durch ein geschicktes Ergänzen verschiedener Weiterbildungen lasse sich eine erfolgversprechende Karriere planen und durchführen. „Ein Neuro-Team ist dann gut, wenn es SpezialistInnen für die verschiedenen Bereiche gibt, die sich ergänzen und mit ihrer Fachexpertise das ganze Team bereichern können“, betont Dr. Nydahl. „Das Beste ist: Man lernt nie aus. Die Hirnforschung ist dermaßen dynamisch, komplex und innovativ, dass lebenslanges Lernen hier sogar notwendig ist.“

Auch im NeuroIntensivbereich macht die Akademisierung der Pflege nicht halt. Schon jetzt sind zahlreiche Pflegende mit Bachelor-, Master- und Doktorabschluss in der Praxis tätig und verfolgen spezifische Aufgaben wie die die Umwandlung von Praxisfragen in wissenschaftliche Fragestellungen, die systematische Literaturrecherche, Evaluationen von relevanten Kennzahlen wie Infektions- und Delirraten bis hin zur Durchführung komplexer Studiendesigns. Advanced Nursing Practitioner (Pflegende mit Masterabschluss) werden für spezifische Tätigkeiten anteilig freigestellt und beraten PatientInnen mit Morbus Parkinson, Epilepsie, multiple Sklerose, Demenz und anderen Erkrankungen. Sie sind zuständig für die Implementierung neuen Wissens und führen interprofessionelle Fortbildungen auf Station durch. Sie untersuchen PatientInnen, stellen Diagnosen und führen auch Echokardiographien bei SchlaganfallpatientInnen standardisiert durch. Sie beraten Angehörige und ermöglichen auch eine Nachsorge für die PatientInnen. Zusätzlich gibt es noch viele offene wissenschaftliche Fragen zur pflegerischen Versorgung bei Delir, Sedierung, Frühmobilisierung, Dysphagie, zur Frührehabilitation oder Angehörigenintegration. Auch die internationale Vernetzung und Kooperation ist heute kein Problem mehr, sodass Hospitationen, Kooperationen und gemeinsame Projekte sehr gut möglich sind. Im Neurobereich werden mehr denn je akademisierte Pflegende zur Qualitätsverbesserung, Forschung und Bildung benötigt. Eins ist für Dr. Nydahl klar: Der komplexe Bereich der Neuro-Intensivpflege ist für Pflegende eine Herausforderung auf vielen Ebenen.

Autor:

Dr. Peter Nydahl (MScN, BScN)
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin