Oddo M, Ribordy V, Feihl F et al.
In: Crit Care Med. 2008-36: 2296-2301

 

BEWERTUNGSSYSTEM

*****    = hervorragende Arbeit
****    = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit
***    = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet
**    = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel
*    = erhebliche Mängel

 

NIMA_1-2010

Bewertung: ****


Zielstellung:

Diese monozentrische prospektive Studie untersuchte die Prädiktoren des Outcomes bei komatösen Patienten nach Herzstillstand, die mit Hypothermie behandelt wurden. Das Ziel der Studie war es, herauszufinden, welche Gruppen von Patienten oder Untergruppen besonders von einer intensivierten Behandlung mit Hypothermie profitierten. Die Autoren stellten die Hypothese auf, dass einfache klinische Kriterien, die bei Krankenhausaufnahme verfügbar wären (wie z. B. der initiale Herzrhythmus bei Herzstillstand, die Dauer des Herzstillstands oder das Vorliegen eines Schocks) geeignet wären, Patienten zu identifizieren, die überleben könnten oder am stärksten von der aggressiven hypothermen Therapie profitieren könnten.


Design:

Es handelt sich um eine prospektive monozentrische Studie, die von Dezember 2004 bis Oktober 2006 durchgeführt wurde. Die Studie wurde auf einer 32 Betten medizinisch-chirurgischen Intensivstation eines Universitätskrankenhauses (University of Pennsylvania Medical Center) durchgeführt. Die Intervention war die hypotherme Behandlung mit 33° ± 1°, diese wurde für 24 Stunden nach Aufnahme durch externe Kühlmaßnahmen erreicht. Es wurden alle Patienten mit Herzstillstand behandelt, sowohl solche, die ein Kammerflimmern als Ursache hatten, als auch solche ohne Kammerflimmern, z. B. durch Asystolie oder pulslose elektrische Aktivität. Die Behandlung erfolgte unabhängig von dem Vorliegen eines Schocks. Es wurden in dieser Studie insgesamt 74 Patienten, 38 mit Kammerflimmern und 36 ohne Kammerflimmern, aufgenommen, 46% hatten einen Kreislaufschock.


Wichtige Resultate:

Bei diesen 74 Patienten betrug die mittlere Dauer des Herzstillstands (die Zeit zwischen dem Zusammenbruch des Patienten und dem Wiedererlangen einer ausreichenden Spontanzirkulation) 25 Minuten. Über alle 74 Patienten war das Überleben mit 39,2% relativ gut verglichen mit anderen Studien. Aber nur 3,1%  der Patienten mit einer Zeit bis zum Wiederkehren einer Spontanzirkulation von über 25 Minuten überlebten, während 65,7% der Patienten unter 25 Minuten überlebten. Die Autoren führten eine logistische Regressionsanalyse durch und stellten fest, dass die Zeit bis zur Wiederkehr einer suffizienten Spontanzirkulation, aber nicht der initiale Herzrhythmus oder das Vorliegen eines Schockes unabhängig das Überleben bei dieser Erkrankungsgruppe beeinflussten. Die Autoren konnten zeigen, dass die Zeit zwischen Zusammenbruch des Patienten und Wiederherstellung eines suffizienten Kreislaufes signifikant niedriger bei Überlebenden war (Median 15,5, Konfidenzintervall 1 bis 21 Minuten), diese Zeiten waren bei Patienten, die nicht überlebten, mit einem Median von 32 Minuten (Konfidenzintervall 35 bis 39 Minuten) deutlich verlängert (p<0,001). Auch die Laktat-Werte in der Notaufnahme lagen bei den Überlebenden mit 8,1 (4,7-10 mmol/l) niedriger als bei den nicht überlebenden Patienten mit 11 (7,9-14 mmol/l). Ein gutes neurologisches Outcome fand sich bei 22 von 38 Patienten (57,9%), die unterhalb von 25 Minuten wieder einen suffizienten Kreislauf erreichen konnten, bei keinem der Patienten über 25 Minuten trat dies auf. Das neurologische Outcome wurde mit der Glasgow-Pittsburgh Cerebral Performance Categories (CPC) erfasst. Hier war CPC1 volle Erholung, CPC2 moderate Behinderung, bewusst und in der Lage zu arbeiten, zumindest teilweise unabhängig für die Aktivitäten des täglichen Lebens mit neurologischen Manifestationen, wie Hemiplegie, Anfälle, Ataxie, Dysarthrie, Dysphasie, Gedächtnis- oder Affektstörungen. CPC3 schwerbehindert, bewusst, aber voll abhängig für Aktivitäten des täglichen Lebens, schwer kognitiv beeinträchtigt, langzeitrehabilitationspflichtig. CPC4 Vegetativer Status, CPC5 Tod. Als guter neurologischer Outcome wurde ein CPC1-2, als schlechter neurologischer Ausgang CPC3-5 festgelegt. Verglichen die Autoren ihre aktuellen Studienergebnisse mit einer historischen Kontrollgruppe von 50 Patienten, die zwischen Oktober 1999 und Mai 2002 behandelt wurde, kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Hypothermie den stärksten Einfluss auf komatöse Patienten mit relativ kurzer Dauer des Herzstillstandes hatten. Die Autoren schlussfolgerten, dass weiterhin auch bei hypotherm behandelten Patienten die initiale Zeit zwischen Zusammenbruch des Patienten und Wiedererlangen eines suffizienten Kreislauf der stärkste Prädiktor des Outcomes war.


Schlussfolgerungen:

Die Prognose unterschied sich nicht zwischen Kammerflimmern und Nicht-Kammerflimmern Herzstillstandspatienten. Vor allem Patienten über 25 Minuten bis zur Wiederherstellung eines suffizienten Herzkreislaufes profitieren von der Hypothermie.


Kommentar:

Dies ist eine wichtige monozentrische, aber prospektive Studie. Sie versuchte, Prädiktoren des Überlebens bei Patienten mit hypoxischem Koma nach Herzkreislaufstillstand und hypothermer Behandlung zu eruieren. Dies ist eine wichtige und praktisch relevante Fragestellung. Die früheren Arbeiten zu diesem Thema, insbesondere von der Arbeitsgruppe Zandbergen et al beschäftigte sich mit diesen Prognoseparametern bei Patienten ohne Hypothermie-Behandlung. In den meisten westeuropäischen und auch nordamerikanischen Kliniken werden aber Herzstillstandpatienten (Patienten mit globaler zerebraler Ischämie nach Herzstillstand) mittlerweile mit Hypothermie behandelt. Damit ist klar, dass unsere bisher gültigen Prognoseparameter wahrscheinlich nur noch einen deutlich geringeren oder vielleicht gar keinen wesentlichen Wert mehr haben. Von daher sind solche Studien wie die von Oddo et al wichtig und werden weiterhin benötigt. Leider ist hier nicht eine rigorose Bestimmung der Progenoseparameter wie in den früheren Zandbergen-Arbeiten erfolgt und es ist etwas banal, dass insbesondere die Zeit bis zum Wiedererlangen eines suffizienten Kreislaufes der entscheidende Prädiktor ist. Dies ist natürlich bei allen Studien zu Patienten mit globaler zerebraler Hypoxie der Fall. Die Autoren selbst besprechen in ihrer Arbeit die Limitationen der Studie. Eine Limitation ist sicher die relativ kleine Patientenzahl, eine zweite ist die wirkliche Sicherheit und Richtigkeit der Bestimmung der Zeit zwischen dem Zusammenbruch und der Wiedererlangung eines suffizienten Kreislaufes. Die Zeit wird in der Regel bei unbeobachtetem Herzstillstand unterschätzt. Die dritte Limitation ist, dass die Ergebnisse eng mit dem lokalen Patientenmanagement zusammenhängen und sich in anderen Patientenmangementsituationen natürlich entsprechend verändern können.
Ich halte die Arbeit für wichtig und stimulierend. Es sollte aber letztendlich eine große multizentrische prospektive Studie diese Fragestellung beantworten.

(G. F. Hamann)