Präsidentensymposium: Spezifität in der NeuroIntensivmedizin

Prof. Dr. Hartmut VatterMit hochkarätigen Impuls-Vorträgen führte das Präsidentensymposium von Prof. Dr. Hartmut Vatter zu einer spannenden Diskussion, wie spezifisch die NeuroIntensivmedizin innerhalb der Intensivmedizin ist, welche Patienten davon profitieren und in welchen Fällen sie auch durch eine internistische oder anästhesiologische Intensivmedizin abgedeckt werden könnte.

Der Vortrag des ersten geladenen Redners Prof. Dr. José Suarez, Baltimore/US, „Can neurocritical care units help improve patient outcome?“ eröffnete die internationale Perspektive auf das aktuelle Thema „Spezifität in der NeuroIntensivmedizin“. Weltweit zeigen die Untersuchungen ein funktionell besseres Überleben und reduzierte Sterblichkeit bei Patienten, die auf NeuroIntensivstationen versorgt werden.

Zur anästhesiologisch-intensivmedizinischen Perspektive und zur Frage „Wieviel Neuro-Intensiveinheiten braucht die Intensivmedizin und wofür?“ berichtete Prof. Dr. Thorsten Brenner, Essen, dass 20 Prozent der deutschen Kliniken neurointensivmedizinische Abteilungen vorhalten. Um den Patienten evidenzbasierte Therapien anbieten zu können und die Behandlungsqualität sicherzustellen, seien umfassende Zertifizierungsmöglichkeiten sowie eine flächendeckende Netzwerkstruktur für Bereiche und Kliniken ohne ausreichende Behandlungszahlen nötig. Die Diskussion, dass eine erhöhte Versorgungsqualität auch durch eine verstärkte Ausbildung der Pflegenden weiter ausgebaut werden sollte, wurde durch den Vergleich mit besseren Rahmenbedingungen, dem „great level of nursing care“ in USA gestützt.

Mit dem etwas provokanten Titel „Neuro-Intensivmedizin ist nicht Intensivmedizin light“ machte Prof. Dr. Julian Bösel, Kassel, deutlich, dass die Expertise von Neuro-Intensivmedizinern auch in angrenzenden Fachbereichen sehr gefragt ist. „Ich persönlich sehe die Kernherausforderung in der Neurointensivmedizin darin, dass wir Leben retten und gleichzeitig die Diagnose klären. Die Gleichzeitigkeit und das Zusammenbringen beider Herausforderungen machen es spannend.“

Die Diskussion der neurointensivmedizinischen Spezifität wurde von dem online zugeschalteten Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Köln, um die ernüchternde politische Dimension bereichert, dass die Patientenversorgung in Deutschland sich schlagartig ändern wird: „Die Versorgungsrealität wird uns mit Wahnsinnsgeschwindigkeit überholen“, absehbar sei eine „Tsunamiwelle mit Einfluss auf das Gesundheitswesen“, bei der mit fünf Millionen weniger Beitragszahlern gleichzeitig fünf Millionen Einwohner mehr medizinisch zu versorgen seien. Nur wenn die einzelnen medizinischen Fachdisziplinen „weg von der Wagenburgmentalität” gemeinsam „schlaue Konzepte“ entwickelten, sei eine flächendeckende Versorgung zu schaffen, ohne dass es Einschränkungen für die Patienten gibt. Prof. Dr. Bösel verwies auf die neuen Möglichkeiten von Telemedizin und auf Konzepte, Expertise zu teilen und vor allem Fehlanreize des derzeitigen Abrechnungssystems zu eliminieren. Weitere Verbesserungsmöglichkeiten wurden darin gesehen, die bestehende Übertherapie in Deutschland auf “normales europäisches Maß” zurückzuführen und das „Ambulantisierungspozential“ durchzusetzen, so dass die derzeitigen 50 Prozent mehr Klinikaufenthalte als in anderen Ländern reduziert werden könnten.


Akuter Schlaganfall - Time remains Brain

Zeit ist Hirn – beim Schlaganfall zählt jede Sekunde. In vielen Fällen ist er durch schnelles Eingreifen behandelbar. Je schneller, desto besser. Im Gesellschaftssymposium der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft (DGS) ging es unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Steinmetz, Frankfurt am Main, und Prof. Dr. Stefan Schwab, Erlangen, unter anderem darum, wie entscheidend die prähospitale Diagnose für ein möglichst gutes Outcome ist.

Prof. Dr. Heinrich Audebert, Berlin, hat zusammen mit der Berliner Feuerwehr einen Abfrage-Algorithmus zur Schlaganfall-Identifizierung entwickelt. Ein speziell konzipierter Rettungswagen (STEMO = Stroke-Einsatz-Mobil), besetzt mit einem Spezialistenteam, ermöglicht direkt vor Ort eine Gefäßdiagnostik zum Erkennen großer Arterienverschlüsse und die Thrombolysetherapie bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall. So können mehr als die Hälfte der akuten Schlaganfallpatienten zeitnah zum Notruf diagnostiziert und im Idealfall gezielt versorgt werden.

Einen weiteren entscheidenden Punkt für bessere Überlebenschancen verdeutlichte Dr. Jan Liman, Nürnberg, in seinem Vortrag zum “One-Stop-Management". Die Verkürzung der Zeiten innerhalb des Krankenhauses (door-to-groin, door-to-reperfusion) gilt als die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg der Aktutherapie des Schlaganfalls. In der Realität sehen diese Zeiten noch nicht optimal aus.

Im Vortrag “Trip-to-trend - Schneller, aber auch besser?” von Dr. Gordian Hubert, München, ging es um die Zeit, die tatsächlich vergeht, bis ein Patient eine systemische Thrombolyse bekommt. Durchschnittlich dauert es bundesweit von der Therapieentscheidung bis zur Intervention 170 Minuten. Eine Studie mit einem “Flying Intervention Team” (FIT) untersuchte neue Möglichkeiten zusammen mit dem telemedizinischen Schlaganfallnetzwerk Süd Ost Bayern TEMPiS. In München wurde ein Helikopter bereitgehalten, der bei Therapieentscheidung den Schlaganfallpatienten zur sofortigen Verlegung in eines der 13 mitwirkenden neurointerventionellen oder neurochirurgischen Zentren zur Durchführung der Thrombektomie abholte. Der Flugdienst kam jede zweite Woche zum Einsatz. Im Vergleich zeigte sich, dass die Zeit von der Therapieentscheidung bis zur Leistenpunktion um 90 Minuten verkürzt werden konnte, was den Patienten zugutekam.


Organersatzverfahren in der intensivmedizinischen Therapie

„Organersatzverfahren in der intensivmedizinischen Therapie bei neurologischen Krankheitsbildern“ unter dem Vorsitz von Dr. Gabriele Wöbker, Wuppertal, und Dr. Sigrid Baetgen, Hamburg, war das spannende Thema des ersten Gesellschaftssymposiums der ADNANI. Prof. Dr. Steffen Weber-Carstens, Berlin, untersuchte, wann bei Herz- und Kreislaufversagen welches Verfahren der extrakorporalen Zirkulation zum Einsatz kommen kann – ECMO, ECLS oder ECCO2R. Die EMCO-Therapie kann bei Herz-Lungen-Versagen als kompletter Lungenersatz durchgeführt werden. Bei der Behandlung schwerster Lungenerkrankungen wie dem akuten Atemnotsyndrom (ARDS) wird ECCO2R angewendet, bei dem die Lunge durch exzessive Steigerung des Atemvolumens über die physiologischen Grenzen hinaus gebläht werden muss.

Beim Thema „Lunge vor Hirn? – Antikoagulation bei ECMO/ECLS im Rahmen von intrakraniellen Blutungen“ ging es Prof. Dr. Haitham Mutlak, Offenbach, um Risiken dieser Anwendung bei Blutungen im Gehirn. Dr. Rainer Kram, Duesseldorf, brichtete über invasive Organersatzverfahren wie Extracorporeal Life Support (ECLS), Mechanical Circulatory Support (MCS), Left Ventricular Assist Device (LVAD), extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) und Extra-Corporeal Cardiopulmonary Resuscitation (eCPR). Diese können eine Organinsuffizienz überbrücken und helfen zum Beispiel bei akutem Nieren-, Herz-Kreislauf- oder Lungenversagen, Zeit zu gewinnen, können jedoch zu Komplikationen führen und Auswirkungen auf neurologische Funktionen haben.