Dr. Peter NydahlEin Schwerpunktthema der interdisziplinären und berufsgruppenübergreifenden ANIM ist in diesem Jahr das Delir auf Intensivstationen. Gleich mehrere Symposien widmeten sich diesem Symptomkomplex, der durch Verwirrtheit, Aufmerksamkeits-, Orientierungs- und Bewusstseinsstörungen gekennzeichnet ist.

Dr. med. Joji B. Kuramatsu, Erlangen, der seine Präsentation gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Symposiums zum Interprofessionellen Delir-Managements Dr. Peter Nydahl, Kiel, vorstellte, betonte die Notwendigkeit, die Auseinandersetzung mit dem Delir in der klinischen Praxis noch stärker zu implementieren. Intensivmediziner und alle anderen Berufsgruppen müssten sich des Delirs und seiner lang- und kurzfristigen Komplikationen besser bewusst sein. Akute Kognitionsstörungen werden oftmals noch als unvermeidliche Folgen der Schwere der Grunderkrankung angesehen oder als Auswirkungen der diversen auslösenden Faktoren der Umgebung auf der Intensivstation. „Häufig gibt es noch eine diagnostische Unschärfe“, so Dr. Kuramatsu. In Summe verfüge man über eine hohe Komplexität prädisponierender und präzipitierender Faktoren. Ein gestörter Schlafrhythmus, beispielsweise durch mangelnde Lichteinstrahlung, führe zu diversen Problemen. Weitere negative Folgen, verbunden mit dem Delir, seien eine höhere Mortalität, längere Intensiv- und Krankenhausaufenthalte sowie chronische kognitive Beeinträchtigungen.

Aus Sicht der Neurointensivpflege referierte Dr. Peter Nydahl, Kiel zur Bedeutung der Interprofessionalität im Delir-Management. „Wer nach Medikamenten und Dosierungen fragt, hat Delir-Management immer noch nicht verstanden“, erklärte der Pflegewissenschaftler. Erste Wahl sind pflegetherapeutische Maßnahmen. Das Management beginne beim Screening. „Die Info der benutzen Screening-Instrumente wie CAM-ICU oder ICDSC muss an einen Arzt gegeben werden, der mit dem Goldstandard der DSM-5 die Diagnose bestätigt.“ Ganz entscheidend sei dabei eine medizinische Priorisierung der Ergebnisse. „Die Zeit ist reif für interprofessionelles Training mit Ärzten, Therapeuten und Pflegenden.“

Im Symposium unter Vorsitz von Prof. Dr. Hans-Christian Hansen, Neumünster, und Dr. Nils Margraf, Kiel, stand vor allem die Bedeutung des Delirs im Vordergrund. In seinem Vortrag prüfte Prof. Dr. Julian Bösel, Kassel, wie folgenreich die Problematik des Delirs im Rahmendes Post-ICU Syndroms ist. Das Post-Intensive-Care-Syndrom (PICS) umfasst körperliche, kognitive und psychische Symptome, insbesondere verminderte Belastbarkeit, Muskelschwäche, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Prof. Bösels Hauptaugenmerk lag auf den kognitiven Langzeitfolgen der Intensivmedizin. Die Bandbreite von kognitiven Störungen ist dabei sehr groß. Die Bezeichnung „Durchgangssyndrom“ suggeriere eine passagere Erkrankung. Das Delir gehe jedoch mit einer erhöhten Letalität, einem längeren Krankenhausaufenthalt und einem schlechteren Behandlungsergebnis einher. „Die Differenzierung von Hirnschäden und Intensiv-Effekten bei Patienten der Neurointensivmedizin ist schwierig“, erklärte Prof. Bösel. „Viele der Krankheiten, die wir auf der Neurointensiv finden, bringen für sich schon 30-40 Prozent kognitiven Abbau mit sich. Daher ist es schwierig, noch zu differenzieren, was die Intensivmedizin dazu noch beiträgt.“ Für den weiteren Erkenntnisgewinn auf Neurointensivstationen müssten daher spezifische Delir-/ Kognitions-Erfassungenentwickelt werden.