Präsidentensymposium Chair Prof. Sakowitz mit Co ChairsDrei hochaktuelle neurointensivmedizinische Vorträge erwarteten die Teilnehmer beim diesjährigen Präsidentensymposium, das traditionell bei der ANIM vom Kongresspräsidenten persönlich gestaltet wird. Flankiert von Prof. Dr. Julian Bösel, Kassel, und Prof. Dr. Helmuth Steinmetz, Frankfurt am Main, als Co-Chairs, eröffnete Prof. Dr. Oliver W. Sakowitz sein Symposium mit den Worten: „Wir haben berufene Redner gewinnen können!”. Die Tagungsteilnehmer durften gespannt sein auf drei renommierte Neurowissenschaftler, deren Vorträge heute am zweiten Kongresstag direkt aus dem Studio in Jena gestreamt wurden.
1. Präsidentensymposium mit Experten Dreier, Weidner, Helbok, Bösel, Sakowitz, SteinmetzDer erste Redner war Prof. Dr. Norbert Weidner, Klinik für Paraplegiologie – Querschnittzentrum Universität Heidelberg, dem aktuelle Daten aus dem deutschen Register für Trauma- und Unfallchirurgie für seinen Vortrag „Akute traumatische Querschnittlähmung – wie geht es weiter?“ zur Verfügung gestellt wurden. Im Anschluss hielt Prof. Dr. Jens Dreier, Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie an der Charité Berlin, seine Präsentation „Neues zu Streudepolarisationen nach SAB“ mit beeindruckenden Bildern und Videoaufnahmen zum Schlaganfallgeschehen. Als dritter Redner schaute Dr. Raimund Helbok aus Österreich von der Neurologischen Intensivmedizin und Neuroinfektiologie, Neurologie Innsbruck, über den Tellerrand. Er präsentierte in einer länderübergreifenden Gesamtschau unterschiedlicher Studien einen Abriss erster Vermutungen, zum Teil fragwürdiger Veröffentlichungen und tatsächlicher Erkenntnisse zu „NeuroCOVID und seine Folgen in Europa“ mit dem abschließenden Appell, mit Blick auf COVID-19 wie gewohnt auf der Basis bewährter wissenschaftlicher Erkenntnisse zu agieren.

Akute traumatische Querschnittlähmung – wie geht es weiter?

Prof. Dr. Norbert Weidner, der als Neurologe im Bereich Neuroregeneration und Plastizität des Rückenmarks im In- und Ausland zu diesem Thema aktiv ist, stellte den Stand der gegenwärtig laufenden NISCI-Studie „No-Go Inhibition in Spinal Cord Injury“ in Bezug auf traumatische Rückenmarkverletzungen vor. „Dass die akute traumatische Querschnittslähmung als ,Waisenkind’ der Neurointensivmedizin gilt, ist eigentlich eine gute Nachricht”, eröffnete Prof. Weidner seinen Vortrag. „Denn es handelt sich tatsächlich um eine seltene Erkrankung mit einer Inzidenz von etwa 1000 traumatischen Querschnittslähmungen pro Jahr in Deutschland. Dazu kommen etwa nicht traumatische, also 2000 akuten Querschnittlähmungen im Jahr.” Die spannende Frage war: Welche Therapiemöglichkeiten gibt es, um den neurologischen Erholungsverlauf der Querschnittslähmung zu beeinflussen? Die NISCI-Studie soll zeigen, ob mithilfe einer Antikörpertherapie die Körperfunktionen sowie die Lebensqualität von querschnittgelähmten Patienten verbessert werden können. Dabei kommen spezielle Antikörper zum Einsatz, die Eiweiße blockieren, die wiederum das Nervenneuwachstum im Rückenmark behindern.
Ziel der Behandlung ist es, dass „Nerven wieder, zumindest im eingeschränkten Maße, spontan aussprossen und damit die neurologischen Beeinträchtigungen geringer ausfallen“, so der Experte vom Querschnittszentrum Heidelberg. Nach einer erfolgreichen Phase-I Studie, in der die Sicherheit des Wirkstoffs untersucht wurde, ist es das Anliegen der Phase-II-Studie zu belegen, inwieweit der Antikörper innerhalb von 28 Tagen nach Eintritt der Querschnittslähmung wirksam ist und sich eine Verbesserung zeigt. „Bislang wurden 96 Patienten in die Studie aufgenommen. Wir hoffen, sie bis Ende des Jahres 2022 abschließen zu können“, gibt Prof. Weidner einen Ausblick.

Nach der akuten Phase in der Klinik stellen sich oftmals weitere Begleiterkrankungen ein, häufig auch neuropathische Schmerzen oder heterotope Ossifikationen. In einem Projekt konnte im Tiermodell herausgefunden werden, dass Laufbandtraining wirksam ist, die neuropathischen Schmerzen abzumildern. „Es gibt erste Hinweise darauf, dass auch beim Patienten rehabilitative Interventionen zum einem verminderten Schmerzlevel führen könnten“, referierte Prof. Weidner. In einer weiteren Untersuchung zum Erhalt oder zur Verbesserung der Mobilität von Patienten nach der stationären Behandlung soll untersucht werden, ob sie mit einer Querschnittlähmung nach der Entlassung aus der Klinik auch ambulant adäquat versorgt werden. Eine wichtige Frage war auch, wie gut Patienten tatsächlich in der Lage sind, das in den Alltag zu übertragen, was sie an rehabilitativen Interventionen während der stationären Behandlung im Querschnittszentrum oder in einer Rehabilitationsklinik erfahren haben.