Feierliche Preisverleihungen der DGNI: Nachwuchsförderpreis und Pflege- und Therapiepreis

Prof. Dr. med. Oliver Sakowitz und Dr. med. Johann Otto PelzErfreulich viele NachwuchswissenschaftlerInnen nutzten die Chance, ihre Arbeiten für einen der ausgeschriebenen DGNI-Preise einzureichen, wie Prof. Dr. med. Oliver Sakowitz, Ludwigsburg, betonte. Als noch amtierender DGNI-Präsident verlieh er den mit 20.000 € dotierten Nachwuchsförderpreis 2021 für innovative Forschungsprojekte in der NeuroIntensivmedizin an Dr. med. Johann Otto Pelz, Klinik und Poliklinik für Neurologie Universitätsklinikum Leipzig. Er überzeugte mit seiner Forschungsarbeit zum Thema „Vorhersagekraft der Sonographie zur Detektion eines raumfordernden Hirninfarktes bei Patientinnen mit Verschluss eines proximalen hirnversorgenden Gefäßes und Vergleich mit der CT/MRT“. Nicht nur Prof. Sakowitz erwartet mit Spannung die Präsentation seines Forschungsprojekts auf der ANIM 2022.

Prof. Dr. med. Oliver Sakowitz und Lars KrügerAuch die Resonanz auf den ausgeschriebenen Pflege- und Therapiepreis 2021 war wieder groß. Die DGNI würdigt mit dem mit 500 € dotierten Preis Pflegekräfte, die mit professionellem Wissen und Handeln zur Verbesserung der intensivmedizinischen Versorgung kritisch kranker Patienten der Neurologie oder Neurochirurgie beitragen. Drei der neun eingereichten Arbeiten wurden von den Bewerbern in jeweils 20-minütigen Vorträgen in einer eigenen Session präsentiert. Zur Auswahl standen die Arbeiten „One Minute Wonder- Fortbildung während der Arbeitszeit: Eine Evaluationsstudie“ von Lars Krüger, Bad Oeynhausen, „NEEDED – transthorakale Echokardiografien auf der Stroke Unit“ von Carmen Lange, Hamburg, und „Veränderungserleben von Bedürfnissen: Angehörige von Patienten der Phase B in der neurologischen Frührehabilitation“ von Jennifer Uhl, Nürnberg. „Drei wichtige Themen und drei mustergültige Vorträge, die eigentlich alle drei preiswürdig waren“, wie Prof. Sakowitz bei der Preisverleihung betonte. Über den Preis konnte sich Lars Krüger, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum, freuen.

Prof. Dr. med. Eberhard Uhl und Josefine EndlerDie Verleihung der sechs Posterpreise für herausragende Präsentationen übernahm Tagungspräsident Prof. Dr. med. Eberhard Uhl, Gießen. Der 1. Posterpreis, der mit der Teilnahme an der DIVI 2021 mit Übernachtung und Fahrtkosten (bis zu 1.000 Euro) verbunden ist, ging an Josefine Endler, Rostock, für ihr Abstract: „Vergleich der Wertigkeit quantitativer und semi-quantitativer Analyseverfahren zur Messung der Muskelechogenität im neuromuskulären Ultraschall bei Intensive Care Unit-Aquired Weakness“.

Die weiteren fünf Preisträger gewannen eine kostenfreie Mitgliedschaft in der DIVI für ein Jahr mit ihren Postern:

Greta Noblejas Sanchez, Lübeck, mit „Ein ungewöhnlicher Status. Bewusstseinsstörung bei OTC Mangel“,

Monika Lindner, Rostock, mit „Gastroparese nach Schlaganfall. Untersuchung der gastralen Mortalität in den ersten sieben Tagen nach dem Ereignis“,

Anne Mrochen, Erlangen, mit „Einfluss der Thrombozytenzahl auf das klinische Outcome bei der intrazerebralen Blutung“,

Ilko Maier, Göttingen, mit „Prediction for the need of tracheostomy in patients with large vessel occlusion stroke being treated with mechanical thrombectomy”,

Michael Veldemann, Aachen, mit „Body Mass Index and Leptin Levels in Serum and Cerebrospinal Fluid in Relation to Delayed Cerebral Ischemia and Outcome after Aneurysmal Subarachnoid Hemorrhage”.

Prof. Uhl wünschte allen Preisträgern, dass sie „mit großem Forschungseifer weitermachen”.

Haftpflichtfragen in der NeuroIntensivmedizin

Prof. Dr. med. Georg GahnUnter dem Vorsitz von Prof. Dr. med. Georg Gahn, Karlsruhe und Prof. Dr. med. Hans-Christian Hansen, Hannover, kam es in der Sitzung „Begutachterszenarien in der NeuroIntensivmedizin“ zu lebhaften Nachfragen zwischen den einzelnen Vorträgen. „Häufige Haftpflichtfragen beim Schlaganfall“ zu Differentialdiagnose und -therapie präsentierte Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Andreas Ferbert, Kassel. Es ging um häufige, vor Gericht verhandelte Behandlungsfehler wie zum Beispiel: spontane SAB wird übersehen, in der Prähospitalphase wird ASS appliziert, es wird keine Lyse durchgeführt, die Lyse wird zu spät durchgeführt, der Patient kam zu spät für eine Thrombektomie ins Zentrum, Sturz aus dem Bett nach Schlaganfall, Rezidivschlaganfall nach Lyse. Schwierig ist eine Gutachter-Bewertung, wenn zum Beispiel eine Lyse nicht durchgeführt wird, weil in der ZNA aufgrund von Fehlinterpretation von Symptomen keine Schlaganfall-Diagnose gestellt wurde. Wenn der aufnehmende Internist keinen Neurologen hinzuzieht, kann das als fehlerhaft gewertet werden. Fazit: Neurologen sollten häufiger in der Notaufnahme hinzugezogen werden.

Prof. Dr. med. Matthias Zumkeller, Hannover, berichtete über „Neurochirurgische Haftpflichtfragen zur Versorgung des SHT“ und Prof. Dr. med. Hans-Christian Hansen, Hannover, stellte Gutachterfragen nach hypoxischer Hirnschädigung vor. In Prof. Dr. med. Georg Gahns Vortrag „Übersehene Dissektionen und andere seltene Ursachen von Zirkulationsstörungen“ wurden Patientenfälle vorgestellt, die von Gutachtern verschiedener Versicherungen sehr unterschiedlich bewertet wurden – von „hinreichender Wahrscheinlichkeit“ bis hin zu „Vollbeweis – kein vernünftiger Zweifel“.

Ernährung des Neurointensiv-Patienten – Effekte jenseits der Evidenz?

PD Dr. med. Joji KuramatsuWie sieht die optimale Ernährung des Neurointensiv-Patienten aus, welchen Einfluss hat das Mikrobiom beim Patienten nach Schlaganfall und wie kann es eventuell günstig beeinflusst werden? Hierzu bot PD Dr. med. Joji Kuramatsu, Erlangen, in der Sitzung zu Basismanagement in der Neurointensivmedizin interessante Über- und Ausblicke. Ein Akutereignis wie ein Schlaganfall führt zu systemischen Pathomechanismen mit vielfach negativen Auswirkungen auf den gesamten Körper, die zu einer Mangelernährung führen und in der Folge die Erholung des Patienten beeinträchtigen. Jeder Intensivpatient, betonte Kuramatsu, benötigt darum in den ersten drei bis sieben Tagen eine künstliche Ernährung. Neue Studiendaten deuten darauf hin, dass eine frühe enterale, eine späte parenterale Ernährung für Patienten, die sich nicht oral ernähren können, mit wenigen Ausnahmen von Vorteil ist. Dass relativ hochgesteckte kalorische Ziele dabei auf den Intensivstationen nicht erreicht werden – im Mittel höchstens 70 Prozent – zeige nach Studienlage keine negative Auswirkung auf das Outcome der Patienten oder die Letalität, so Kuramatsu. Auch schnitten hoch- versus normalkalorische Substrate gleich ab. Was das in den letzten Jahren wissenschaftlich vielbeachtete Mikrobiom, dessen wichtiger Einfluss auf diverse Erkrankungen an einem exponentiellen Anstieg von Publikationen abzulesen ist, beim Schlaganfall bedeutet, ist bislang vor allem aus tierexperimentellen Daten bekannt: Der Schlaganfall führe zu einer Dysbiose des Mikrobioms, erläuterte Kuramatsu: „Das heißt, die Pathobionten werden so modelliert, dass die krankmachenden unter ihnen die Oberhand gewinnen.“ Prozesse würden in Gang gesetzt, die zu einer systemischen Inflammation und bis hin zu neuroimmunmodulatorischen Phänomenen führten. Umgekehrt könnten sich therapeutische Strategien ableiten lassen: „Naheliegend ist, die Dysbiose, das Überschießen von Pathobionten, mit Mikrobiotika zu beeinflussen.“ Aber auch von Aspirin werde angenommen, dass es Einfluss auf das Mikrobiom haben könnte. Kurzkettige Fettsäuren könnten zudem womöglich die Neuroregenration unterstützen. Und schließlich nannte Karamatsu als weiteren denkbaren Ansatz die fäkale Transplantation, dem bei verschiedenen internistischen Erkrankungen bereits positive Effekte nachgewiesen wurden.

Management des Status Epilepticus in Deutschland

Dr. med. Christina M. KowollAus der aufschlussreichen Analyse des Ist-Zustandes des Status epilepticus in deutschen Kliniken zum Management, welche Dr. med. Christina M. Kowoll, Köln, im Rahmen der Freien Vorträge präsentierte, ließe sich der Schluss ziehen, wir brauchen mehr Standardisierung der Prozesse. Die Online-Umfragestudie der IGNITE richtete sich an 232 Kliniken mit einer Rücklaufquote von 36 Prozent. Deren Auswertung ergab unter anderem, dass ein kontinuierliches Intensiv-EEG-Monitoring beim Status epilepticus zwar weit verbreitet, in der Umsetzung aber sehr unterschiedlich gehandhabt und beispielsweise in rund der Hälfte der Krankenhäuser nicht systematisch ausgewertet würde. Pharmakotherapien entsprächen insgesamt den Leitlinien. Interessanterweise würden bei den Antikonvulsiva neue, noch nicht zugelassene Präparate bevorzugt. Hausinterne Behandlungsstandards bejahten weniger als die Hälfte der Krankenhäuser. Klare Verlegungsstrukturen seien weitgehend nicht vorhanden, lediglich einmal wurden festgelegte Zuweisungsabsprachen bestätigt, über 70 Prozent der Häuser verlegen nicht. Dass es an Standardisierung fehle, so Christina M. Kowoll, heiße für die Versorgung der Patienten aber „anscheinend nichts Schlechtes“. Am eruierten Ist-Zustand anzusetzen indes, wäre wünschenswert.