Aufgrund der aktuellen Lage wollen wir ergänzend die leider jedes Jahr wieder existente Gefahr von Querschnittlähmungen durch Badeunfälle thematisieren. „Selbstüberschätzung, Leichtsinn und Alkohol zählen zu den häufigsten Gründen, die immer wieder dazu führen, dass meist Heranwachsende und junge Erwachsene den Sprung in unbekanntes – meist zu seichtes - Gewässer wagen“, sagen Prof. Dr. Norbert Weidner und Prof. Dr. em. Hans Jürgen Gerner von der Klinik für Paraplegiologie des Universitätsklinikums Heidelberg. Tragische Folge sei nicht selten eine Verletzung der Halswirbelsäule bzw. des Rückenmarks mit häufig schwerst ausgeprägten Lähmungsmustern entsprechend Tetraparesen bzw. Tetraplegien.

In Deutschland erleiden durchschnittlich 2000 Deutsche pro Jahr eine Querschnittlähmung (Weidner, Rupp, Tansey 2017). Davon sind gemäß Erhebungen der nationalen Datenbank der deutschen Querschnittzentren am BG Klinikum Hamburg jeweils 50% traumatisch bzw. nicht-traumatisch bedingt. Bei 5% der traumatisch bedingten Querschnittlähmungen ist als Unfallursache ein Badeunfall hinterlegt. Gemäß einer nicht veröffentlichten retrospektiven Erhebung (H.J. Gerner, Heidelberg) aus den Jahren 2000 bis 2005 an 7 deutschen Querschnittgelähmtenzentren wurden 109 Badeunfälle registriert. Davon verunglückten 77 Patienten (71 %) durch einen Kopfsprung in unbekanntes Gewässer, 11 Patienten (10 %) durch Ausrutschen mit Sturz ins Wasser, 4 Patienten (4 %) hatten einen Sportunfall, bei 17 Patienten (15 %) war der Unfallhergang gemäß Aktenlage nicht mehr eruierbar. Über 90% der Unfälle ereigneten sich in den Monaten Mai bis August (91%), am häufigsten wurden Badeunfälle im Monat August (34%) registriert. Ein Drittel der Badeunfälle betraf Personen im Alter von 21-25 Jahren, weitere 20% erlitten eine Rückenmarkverletzung im Alter von 16-20 Jahren. Gut zwei Drittel sind dem Altersspektrum 16-30 Jahre (70,6%) zuzuordnen. Dabei waren von insgesamt 109 Patienten 108 männlichen Geschlechtes. 42 Patienten verunglückten in einem Binnengewässer, 10 im Meer, 12 in einem (privaten) Swimmingpool, 9 Patienten in einem öffentlichen Schwimmbad, in 36 Fällen konnte der Unfallort retrospektiv nicht mehr festgestellt werden.

Durch den Badeunfall kam es in 95% zu einer Fraktur der Wirbelsäule, lediglich in einem Fall wurde eine Rückenmarksprellung (Contusio spinalis) ohne Fraktur der Wirbelsäule diagnostiziert. 94% aller Frakturen waren im Bereich der Halswirbelsäule lokalisiert, lediglich in 2 Fällen war die Brustwirbelsäule frakturiert. Das neurologische Niveau der Verletzung zeigt sich bei 76 Fällen (70 %) auf den Höhen C 4, C 5 oder C 6 (C4 bezeichnet Verletzungen oberhalb des 4. Halswirbels; die unteren vier (C5–C8) sind u.a. für die Steuerung der Brust- und Armmuskulatur zuständig). Die Verletzungsschwere bei Entlassung aus der querschnittspezifischen Erstbehandlung war in knapp über der Hälfte der Fälle (52%) als sensomotorisch komplett (Durchtrennung des Rückenmarks) klassifiziert worden, gut ein Drittel wurde als sensomotorisch inkomplett (teilweise Durchtrennung des Rückenmarks) eingeschätzt, lediglich bei einem Patienten wurde eine komplette Heilung beobachtet. Eine ähnliche Verteilung bzgl. Alter, Verletzungsschwere und -höhe finden sich in einer retrospektiven Erhebung in Südfrankreich (Chan-Seng et al 2013).

Insgesamt hat sich die Häufigkeit von Badeunfällen mit daraus folgenden Verletzungen der Halswirbelsäule und überwiegend schwerwiegenden Lähmungssyndromen über die Jahre kaum verändert. Die Erstbehandlung sollte nach initialer operativer Versorgung zwingend in einem Querschnittgelähmtenzentrum erfolgen, um den Betroffenen zu ermöglichen, ein Höchstmaß von Selbständigkeit wieder zu erlangen, primäre und sekundäre Folgen wie zum Beispiel Atemschwäche, Blasen- und Darmentleerungsstörungen, Spastik, autonome Dysreflexie, Druckstellen zu vermeiden bzw. adäquat behandeln zu können. Die vorwiegend an Schulen durchgeführte Präventionskampagne der Deutschen Stiftung Querschnittlähmung (DSQ) „No Risk – No Fun“ verfolgt das Ziel, Menschen dafür zu sensibilisieren, sich generell nicht unnötig Gefahren auszusetzen, die zu schweren Verletzungen bis hin zu einer Querschnittlähmung führen können.

Autorenkontakt:
Prof. Dr. Norbert Weidner
Direktion der Klinik für Paraplegiologie, Department Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie
Universitätsklinikum Heidelberg
Schlierbacher Landstraße 200a, 69118 Heidelberg
E-Mail Sekretariat: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Tel.: 06221/56-26322

Referenzen:
Neurological Aspects of Spinal Cord Injury, Herausgeber: Weidner N., Rupp R., Tansey K., Springer Verlag, Cham, Schweiz, 2017.
Chan-Seng, E., F.E. Perrin, F. Segnarbieux, and N. Lonjon, Cervical spine injuries from diving accident: a 10-year retrospective descriptive study on 64 patients. Orthop Traumatol Surg Res, 2013. 99(5): p. 607-13.

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