Neben diesen inhaltlichen Aufgaben kommt es für mich natürlich auch darauf an, die DGNI in den Gesamtkontext der Entwicklung der Intensivmedizin weitervoranzubringen. Hierfür setze ich auf eine enge Kooperation mit der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Ich finde es wichtig, dass wir uns dort in den einzelnen Arbeitsgruppen engagieren.


Was sind denn die wichtigsten Herausforderungen, vor denen die NeuroIntensivmedizin in Deutschland zurzeit steht?

Die strukturelle Entwicklung in Deutschland ist sicherlich so, dass eigenständige NeuroIntensivstationen oder auch neurochirurgische Intensivstationen immer öfter durch andere Modelle ersetzt werden. NeuroIntensivpatienten werden immer öfter auf interdisziplinären Intensiveinheiten behandelt. Die Herausforderung ist, unsere fachspezifische Agenda auch in diesem geänderten Rahmen nachhaltig  zu etablieren, was letztlich dem Intensivpatienten zu Gute kommt. Dies muss unser Qualitätsanspruch im Rahmen der Versorgung von NeuroIntensivpatienten  sein, wenngleich es möglicherweise nicht in jedem Krankenhaus durchsetzbar ist.


Seit 2009 hat sich die Zahl der Mitglieder auf fast 1000 verdoppelt. Wie erklären Sie sich das wachsende Interesse?

Ich denke, die NeuroIntensivmedizin ist ein spannendes Betätigungsfeld für viele junge Ärzte und Ärztinnen, aber auch für das Pflegepersonal. Die NeuroIntensivmedizin muss man immer als interprofessionelles Aufgabengebiet sehen. Teambildung ist entscheidend.  Ein Katalysator ist zudem die ANIM, die mit ihrem großen Weiterbildungsangebot und ihrer hohen wissenschaftlichen Qualität eine unveränderte starke Strahlkraft hat. So hatten wir bei unserem letzten Kongress im Januar in Berlin einen neuen Teilnehmerrekord mit über 1600 Besuchern. Mit so einer Resonanz hatten wir gar nicht gerechnet. Um dem gerecht zu werden, planen wir im nächsten Jahr die Räumlichkeiten in Berlin und die Programme entsprechend neu zu gestalten.

Erfreulich ist zudem der gestiegene Anteil der Neurochirurgen, da haben wir 18 Prozent erreicht. Dazu beigetragen hat sicherlich auch eine Maßnahme der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie: Dort wird jedem neuen Mitglied für ein Jahr die Parallel-Mitgliedschaft in der DGNI finanziert, um Neurochirurgen für die DGNI und die Belange der NeuroIntensiv – und Notfallmedizin zu gewinnen. Dass die Leute nach diesem Jahr nicht austreten,  ist ein sehr positives Zeichen. Ich würde mir aber wünschen, dass wir mehr Pflegekräfte erreichen würden. Vielleicht durch Anreize, wie eine vergünstigte Mitgliedschaft. Um insgesamt die Aktivitäten innerhalb der Gesellschaft noch lebendiger zu gestalten, wäre vielleicht auch ein regelmäßiger Newsletter an die Mitglieder eine Erwägung wert.


Ist dies nicht eine gute Gelegenheit, um mit starker Stimme mehr politische Forderungen zu stellen? Bislang gibt es beispielsweise keinen Facharzt für Intensivmedizin, nur eine Zusatzbezeichnung.

Einen eigenständigen Facharzt halte ich nicht für sinnvoll. Unabdingbar finde ich dagegen die Qualitätssicherung der Zusatzweiterbildung. Das Präsidium hat sich dazu jüngst entschlossen, zu diesem Zweck PD Dr. Wolf-Dirk Niesen aus Freiburg als Weiterbildungsbeauftragten  einzusetzen. Er soll ab sofort die Weiterqualifizierung der Zusatzweiterbildung mit dem Präsidium vorantreiben.

Weiter beschäftigen werden uns natürlich auch Themen, wie das Schädel-Hirn-Trauma und der Hirntod, zu dem wir erst kürzlich eine gemeinsame Stellungnahme mit der DGN und der DGNC veröffentlicht haben (Link). Hier muss man veränderte Einstellungen in der gesellschaftlichen Diskussion feststellen, in der viele Ängste mitschwingen, ausgelöst oder verstärkt sicherlich auch durch die Unregelmäßigkeiten in der Organtransplantation, über die in der vergangenen Zeit in den Medien ausführlich berichtet wurden.


Vor knapp zwei Jahren stand die DGNI aufgrund der Insolvenz der Kongressagentur „Congrex“ fast vor dem Aus. Heute gibt es wieder Hoffnung; in diesen Tagen wurde ein neuer Vertrag mit „Conventus“ abgeschlossen. Was sind die Lehren aus dieser turbulenten Zeit?

Ich habe für mich daraus gelernt, dass man den Wissenschaftsbetrieb eines Kongresses strikt vom geschäftlichen Bereich trennen muss. Man muss sich in der wissenschaftlichen Fachgesellschaft ganz auf die ureigenen Vereinsinteressen beschränken, damit es zu keiner Gefährdung der Gemeinnützigkeit und der Gesellschaft insgesamt kommen kann. Da muss es eine strikte Trennung geben – auch weil die Präsidiumsmitglieder persönlich haften. Hier hat unser Schatzmeister der DGNI, Prof. Dr. med. Wolfgang Müllges, hervorragende und konstruktive Arbeit in den letzten Monaten geleistet, um die Gesellschaft in Zukunft weiter auf sichere Füße zu stellen.