Aktuelle Publikationen von Interesse 2010Wong GK, Poon WS, Chan MT, Boet R, Gin T, Ng SC, Zee BC; IMASH Investigators. Stroke 2010; 41: 921–6.


Referenten:

Oliver W. Sakowitz (Neurochirurgische Intensivstation Univ.-Klinik Heidelberg)
Hagen B. Huttner (Neurologische Intensivstation Univ.-Klinik Erlangen) 


Zusammenfassung:

Die neuroprotektive und gefäßrelaxierende Wirkung von Magnesium wurde wiederholt in experimentellen und klinischen Studien untersucht. Diese Arbeit der australo-asiatischen IMASH-Investagor-Gruppe beschreibt die Ergebnisse einer multizentrischen, prospektiven, randomisierten Studie zur intravenösen Magnesium-Supplementation bei Patienten nach aneurysmatischer Subarachnoidalblutung. Über einen Zeitraum von 10-14 Tagen wurde bei insgesamt 327 (169 vs. 158 Plazebo) Patienten doppeltverblindet eine Anhebung der Serumkonzentration auf das Doppelte des Ausgangswertes angestrebt und erreicht (1,67+/-0,27 mM vs. 0,91+/-0,16 mM). Nebenwirkungen (Bradykardie, systemische Hypotonie) und Toxizität (neuromuskuläre Blockade, schwere Hypocalziämie, Koma) waren selten. In der 6-Monats-Analyse der primären (eGOS) und sekundären Outcome-Parameter (modifizierter Rankin-Wert, Barthel-Index, SF36 und Auftreten eines symptomatischen Vasospasmus) ergaben sich keine signifikanten Unterschiede oder Trends. 


Kommentar:

Magnesium ist durch seine neuroprotektive und vasorelaxierende Wirkung als „natürlicher Calcium-Antagonist“ ein Dauerbrenner in der neurointensivmedizinischen Forschung.

Mehrere Studien einzelner Zentren, aber auch multizentrische PRCTs haben in der Vergangenheit einen Vorteil der hochdosierten Magnesiumbehandlung nahegelegt. Insbesondere die holländische MASH- Studie hatte einen nicht-signifikanten Vorteil hinsichtlich der Entwicklung vasospasmus-bedingter zerebraler Ischämien (CT-basiert; relative Risikoreduktion 34%) und Verbesserung des klinisch-neurologischen outcome nach 3 Monaten (relative Risikoreduktion 23%) ergeben. Die Tatsache, dass die Häufigkeit dieser primären Outcome-Parameter in der Pilotstudie etwa doppelt so hoch war,  legt nahe, dass die Fallzahl für eine ausreichende Teststärke zu niedrig gewesen sein könnte. Die Nachfolgestudie (MASH-2) mit dem Ziel, 1200 Patienten über 5 Jahre einzuschließen, ist mittlerweile begonnen worden.

Auch in der vorliegenden IMASH-Studie gaben post-hoc-Berechnungen der Teststärke (z.T. <0,5) Anlass zur Sorge. Unter Umständen wurden zu wenig Patienten eingeschlossen. Angesichts des Fehlens jeglicher Trends sahen die Autoren allerdings von einer Revision der Stichprobengröße ab.

In dieser Studie wurden nur wenige, unscharfe Parameter zum zerebralen Vasospasmus erfasst (z.B. TCD-Messungen, Veränderungen auf der GCS-Skala, neue Infarkte). Hier wäre es sehr wohl denkbar, dass positive Effekte auf andere Parameter (angiographischer Vasospasmus, zerebrale Durchblutung, Oxygenierung, Metabolismus) bestehen. Dass dann auf anderer Ebene der Infarktgenese neuroprotektive / regenerative Effekte ausbleiben oder vielleicht sogar außer Kraft gesetzt werden, wäre ein Erklärungsansatz für das negative Studienergebnis.

Magnesium ist bei mehr als der Hälfte aller Schlaganfallpatienten initial erniedrigt. Dieser Umstand ist mit dem verzögerten Auftreten zerebraler Ischämie und einem schlechteren klinischen Outcome vergesellschaftet. Unklar bleibt nach wie vor, ob eine frühe Gabe von Magnesium (z.B. im Notarztdienst oder i.d. Notaufnahme) hier etwas bewirken kann. Diese Frage wird ggf in der  FAST-MAG (Field Administration of STroke Therapy – Magnesium) – Studie untersucht.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind Studien zur SAB, wie diese, nur in der Koadministration mit Nimodipin denkbar. Die gleichzeitige Gabe von Calcium-Antagonisten gibt konzeptionell betrachtet Rätsel auf, auch wenn synergistische Effekte möglich sind. Zumindest erschwert es die Interpretation. Gemessen und berichtet wird üblicherweise der Gesamtwert von freiem, anionisch- und proteingebundenem Magnesium. Der Referenzbereich Gesunder beträgt 0,7 - 0,95 mM. Für therapeutische Zwecke wird üblicherweise ein Wert zwischen 2,0 und 3,0 mM angestrebt (in MASH: 1,0 – 2,0 mM). Nur in IMASH war eine Dosisanpassung vorgesehen. Post-hoc Analysen beider Studiengruppen legen nun allerdings ein signifikant schlechteres Outcome bei denjenigen Patienten der Quartile mit den höchsten Serumspiegeln (>1,82 mM, respektive 1,61 mM) nahe. Dieses könnte daraufhin weisen, dass Magnesium eine relativ geringe „therapeutische Breite“ hat. Ähnliche Ergebnisse sind aus der Schlaganfall- und Trauma-Literatur ersichtlich.

Zusammengefasst: Dem üblichen Jargon folgend handelt es sich um eine „Negativstudie“. Sicherlich wird die vorliegende Arbeit nicht die letzte Studie zur Wirkung von Magnesium auf die Entwicklung des zerebralen Vasopasmus bei SAB-Patienten sein. Dennoch setzt sie einen Kontrapunkt, indem sie auf relativ hohem Studienniveau im Ergebnis eine Äquivalenz von Normomagnesiämie und Hypermagnesiämie aufzeigt und auch so interpretiert. Mit einer „einfachen“ Supplementation zur Aufrechterhaltung normaler Serum-Magnesium Konzentrationen bewegt man sich bei Neurointensivpatienten nach wie vor auf „relativ sicherem Eis“.

 

Weiter von Interesse

  • Muir KW, Lees KR, Ford I, Davis S; Intravenous Magnesium Efficacy in Stroke (IMAGES) Study Investigators. Magnesium for acute stroke (Intravenous Magnesium Efficacy in Stroke trial): randomised controlled trial. Lancet. 2004;363(9407):439-45.
  • Temkin NR, Anderson GD, Winn HR, Ellenbogen RG, Britz GW, Schuster J, Lucas T, Newell DW, Mansfield PN, Machamer JE, Barber J, Dikmen SS. Magnesium sulfate for neuroprotection after traumatic brain injury: a randomised controlled trial.Lancet Neurol. 2007;6(1):29-38.
  • van den Bergh WM, Algra A, van Kooten F, Dirven CM, van Gijn J, Vermeulen M, Rinkel GJ; MASH Study Group. Magnesium sulfate in aneurysmal subarachnoid hemorrhage: a randomized controlled trial. Stroke. 2005;36(5):1011-5.
  • Wong GK, Poon WS, Chan MT, Boet R, Gin T, Ng SC, Zee BC. Plasma Magnesium Concentrations and Clinical Outcomes in Aneurysmal Subarachnoid Hemorrhage Patients. Post Hoc Analysis of Intravenous Magnesium Sulphate for Aneurysmal Subarachnoid Hemorrhage Trial. Stroke. 2010 Jun 10. Online.
  • Westermaier T, Stetter C, Vince GH, Pham M, Tejon JP, Eriskat J, Kunze E, Matthies C, Ernestus RI, Solymosi L, Roosen K. Prophylactic intravenous magnesium sulfate for treatment of aneurysmal subarachnoid hemorrhage: a randomized, placebo-controlled, clinical study. Crit Care Med. 2010;38(5):1284-90.