Macmillan CSA, Andrews PJD, Easton VJ
In: J Neurol Neurosurg Psychiatry 2001;70:101-104


BEWERTUNGSSYSTEM

*****    = hervorragende Arbeit
****    = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit
***    = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet
**    = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel
*    = erhebliche Mängel

 

nima 1-2002


Bewertung: ***





Zielstellung:

Diese Arbeit untersuchte den Einfluss sekundärer Insulte, insbesondere den einer pathologischen jugularvenösen Sauerstoffsättigung (75% „hyperämisch“) auf das Outcome von Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma.

Design:

Es handelt sich um eine prospek-tive klinische Studie.

Durchführung:

75 Patienten (64 männlich), mittleres Alter 34 (15-70) Jahre, mit der Diagnose „Schädel-Hirn-Trauma und intubationspflichtig“ wurden im Zeitraum 6/1990 bis 5/1995 auf einer neurointensivmedizinischen Intensivstation untersucht. Es wurde ein multimodales kontinuierliches Monitoring durchgeführt (Messung 1x/Minute). Ein Insult wurde definiert wie folgt: ICP >20mmHg; CPP 70 mmHg. Ein Abfall der jugularvenösen Sättigung 75% wurde nur therapiert, wenn der ICP oder CPP >5 Minuten pathologisch war (ICP>20 mmHg; CPP<70 mmHg).
Die Anlage des jugularvenösen Katheters erfolgt nach üblichen Kriterien. Primärer Endpunkt der Studie war das Outcome 12 Monate nach dem Trauma (klassifiziert mit der Glasgow Outcome Skala, GOS. Die Patienten wurden in 2 Gruppen, „schlechtes Outcome (GOS 1-3, n=33)“ und „gutes Outcome (GOS 4-5, n=42)“ eingeteilt. Die Dauer der sekundären Insulte wurde als Prozentsatz der artefaktbereinigten Messzeit/Patient und Variable berechnet.

Wichtige Resultate:

Patienten mit einem schlechten Outcome (GOS 1-3) hatten häufiger sekundäre Insulte in Form von Episoden einer pathologischen jugularvenösen Sauerstoffsättigung (<54% p75% p<0.04), sowie einem CPP <70 mmHg (p<0.04) verglichen mit Patienten mit gutem Outcome (GOS 4-5). Ein pathologisch erhöhter ICP, eine SaO2 38 ? hatten keinen Einfluss auf das Outcome.
Die Messzeit mit guter Datenqualität (artefaktbeeinigt) lag erwartungsgemäß niedrig bei 56% und entspricht den Daten vergleichbarer Untersuchungen. Die Patientengruppen hatten eine vergleichbare Verletzungsschwere (nach dem Injury Severity Score), unterschieden sich aber signifikant im GCS bei Aufnahme mit niedrigerem GCS in der Gruppe mit schlechtem Outcome (Median 4 vs 7). Auch das Alter war signifikant höher in der Patientengruppe mit schlechtem Outcome (Median 38 vs 31 Jahre).
Patienten, die verstarben, hatten häufiger eine erniedrigte jugularvenöse Sättigung <54% als Patienten mit schlechtem Outcome, die überlebten (GOS 2-3). Hingegen war eine erhöhte jugularvenöse Sättigung nicht mit einer hohen Mortalität assoziiert.

Schlussfolgerung:

Nach wie vor sind sekundäre Insulte nach einem Schädel-Hirn-Trauma mit einer schlechten klinisch-neurologischen Prognose assoziiert. Die kontinuierliche Messung der Parameter „intrakranieller Druck“, „zerebraler Perfusionsdruck“ und „zerebrale Oxygenierung“ in Form der jugularvenösen Sauerstoffsättigung kann sekundäre Insulte erfassen und ihre frühzeitige Erkennung bzw. Therapie das klinische Outcome möglicherweise verbessern. Die Methode der jugularvenösen Sättigung ist eine von Neurointensivmedizinern gut anwendbare Methode zur Überwachung der zerebralen Oxygenierung, hat aber aufgrund der hohen Artefaktrate und damit verbundenen Fehlmessungen ihre Nachteile. Auch diese Autoren geben eine „time of good data quality“ von nur 56% an. Eine kritisch erniedrigte jugularvenöse Sauerstoffsättigung <54% und ein CPP75%) ist weiterhin spekulativ, aber – da ihr Auftreten gehäuft mit einem schlechten Outcome assoziiert ist, sind weitere Untersuchungen hierzu sinnvoll.

Kommentar:

Das besondere dieser Arbeit ist, dass sie den Stellenwert einer zu hohen jugularvenösen Sättigung hervorhebt und ihren Einfluss auf das Outcome bei Patienten mit schwerem SHT untersucht. Auch ist die Studie mit Untersuchungsprotokoll und Hintergründen gut verständlich beschrieben. Das ICP- und CPP-orientierte Behandlungsregime ist vorbildhaft. Da die Patientengruppe mit schlechtem Outcome signifikant älter ist und einen niedrigeren GCS hat als die Gruppe mit gutem Outcome, werden die Ergebnisse allerdings etwas verzerrt. Die Studie bringt keine wesentlichen neuen Ergebnisse, bestätigt aber vorangegangene Untersuchungen und unterstreicht die Bedeutung einer kritisch erniedrigten jugularvenösen Sättigung 75% bei SHT-Patienten wurde bereits, u.a. von Robertson und Kollegen beschrieben. Interessant ist ihre Häufung bei Patienten mit schlechtem Outcome und das macht das Wesentliche dieser Untersuchung aus. Die Ursachen der beobachteten Insulte werden - obwohl viele Parameter in einminütigem Abstand gemessen wurden - überwiegend nur theoretisch gestreift. Es bleiben also noch viele Fragen offen.

(A. Sarrafzadeh)