Nakano S, Iseda T, Yoneyama T, MD; Kawano H, Wakisaka S
In: Stroke 2002; 33:2872-2876


BEWERTUNGSSYSTEM

*****    = hervorragende Arbeit
****    = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit
***    = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet
**    = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel
*    = erhebliche Mängel

 

nima 3-2003


Bewertung: ***





Zielstellung:

Die Autoren untersuchten retrospektiv bei 70 Patienten mit akutem Verschluss des Hauptstamms der A. cerebri media den Einfluss der
intraarteriellen, lokalen Thrombolyse mit Urokinase oder rtPA versus der direkten perkutanen transluminalen Angioplastie (PTA). Die Studie soll die Frage beantworten, ob eine PTA zu einer rascheren und vollständigeren Rekanalisation führt und dadurch möglicherweise zu einem besseren neurologischen Verlauf.

Design:

70 Patienten aus einem Zeitabschnitt von ca. 8 Jahren wiesen einen Mediahauptstamm Verschluss auf und wurden nach einer der beiden Methoden behandelt. 36 Patienten wurden intraarteriell mit Urokinase bzw. rtPA behandelt. 34 Patienten entfielen auf die PTA Gruppe.

Wichtige Resultate:

Alle Patienten waren neurologisch schwer betroffen (NIHSS 16).
Bei etwa 1/3 der Patienten fanden sich CT-Frühzeichen. Der Zeitpunkt zwischen Symptombeginn und Therapiebeginn lag bei etwa 4 Stunden. 36 Patienten wurden intraarteriell mit Urokinase behandelt (mittlere Dosis 21,3 x 104 U). Hiervon erhielten 15 Patienten zusätzlich intraarteriell rtPA (mittlere Dosis 7,7 mg). Bei 10 Patienten wurde die intraarterielle Lyse aufgrund einer frühzeitigen Füllung der thalamostriatalen Venen (=vermehrte Blutungsgefahr) abgebrochen. Von 34 Patienten der PTA Gruppe wurde bei 3 Patienten keine Rekanalisation erzielt. Bei 11/31 Patienten bestand nach PTA ein residueller flacher Thrombus. Bei 20/31 PTA Patienten (64,5%) wurde der Embolus fragmentiert, so dass es zu einer distalen Embolie (5 Patienten) oder zu kleinen kortikalen Infarkten (15 Patienten) kam. Im Fall einer distalen Embolie wurde eine thrombolytische lokale Therapie angeschlossen. Insgesamt erhielten 21/31 PTA Patienten zusätzlich eine Thrombolyse (IA oder IV) aufgrund einer distalen Embolie oder einem residuellen flachen Thrombus nach PTA. 18 von diesen 21 Patienten erhielten systemisch 7,2 mg rtPA. 3 Patienten mit M2-Verschluß nach distaler Embolie wurden intraarteriell mit Urokinase oder rtPA lokal behandelt (1,8 mg). Die Rekanalisationsrate war in der PTAGruppe mit 91% signifikant höher als bei der intraarteriellen Thrombolysegruppe mit 63,9%. Symptomatische parenchymatöse Blutungen waren in der Thrombolysegruppe (19%) signifikant häufiger als in der PTA-Gruppe (2,9%). Dennoch war das neurologische Outcome (mRS nach 90 Tagen) nicht signifikant unterschiedlich. Wenn anstatt mRS 0-1 als Indikator für ein günstiges Outcome der Rankin-Score 0-2 als Indikator für funktionelle Unabhängigkeit verwandt wurde, so schnitt die PTA-Gruppe mit 73% signifikant besser ab, als die lokale Lysegruppe mit 50%.

Schlussfolgerung:

Die Autoren vergleichen ihre Ergebnisse mit der PROACT II Studie und kommen zu dem Ergebnis, dass die Rekanalisationsrate der lokalen Lysegruppe vergleichbar ist mit dem PROACT II Zrgebnissen. Die PTA führe zwar zu einer deutlich höheren Rekanalisationsrate geführt, allerdings werde die höhere Rekanalisationsrate mit distalen Embolien erkauft, die zwar einer weiteren Thrombolyse zugänglich sind, wahrscheinlich jedoch für den insgesamt nicht überzeugenden Unterschied hinsichtlich des neurologischen Outcome verantwortlich sein dürfte.

Kommentar:

Diese Studie birgt alle Probleme, die eine retrospektive Erhebung, die sich über einen Zeitraum von 9 Jahren erstreckt, mit sich bringt. Unterschiedliche Therapieregime hinsichtlich der Thrombolyse (stark unterschiedliche Dosen von Urokinase und z.T. sehr niedrige Dosen von rtPA) erschweren die Vergleichbarkeit. Das wesentliche Ergebnis der Studie ist, dass trotz höherer Rekanalisationsrate der PTA das neurologische Outcome aufgrund distaler Embolien nicht besser ist. Unabhängig davon mangelt es der Studie an klinischer Relevanz, da es gängige Praxis ist, im Rahmen der lokalen Thrombolyse mit dem Mikrokatheter den Thrombus zu perforieren und mechanisch zu zerkleinern. Auch wenn kein Ballonkatheter verwandt wird, so wird man im Rahmen der lokalen Thrombolyse immer auch mechanisch fragmentierend vorgehen. Neuere Entwicklungen gehen hin zur Kombinationstherapie der lokalen Thrombolyse mit der intravenösen Verabreichung eines GP IIb/IIIa-RezeptorAntagonisten (Eckert 2002). Es ist nicht damit zu rechnen, dass sich die lokale Lyse im vorderen Stromgebiet in Zukunft weiterentwickeln wird. Die Therapieergebnisse der intravenösen Thrombolyse sind so vielversprechend, dass selbst viele interventionell aktive
Zentren die lokale Lyse im vorderen Stromgebiet verlassen. Auch das Argument des weiteren Zeitfensters der PTA oder der lokalen Lyse ist angesichts zunehmender Daten zur systemischen Thrombolyse im 3-6 Stundenzeitfenster bei Nachweis von Risikogewebe nicht mehr überzeugend.

(J. Röther)