Johnston AJ, Steiner LA, Coles JP, Chatfield DA, Fryer TD, Smielewski P, Hutchinson PJ, O´Conell MT, Al-Rawi PG, Aigbirihio FI, Clark JC, Pickard JD, Gupta AK, Menon DK
In: Critical Care Medicine 2005; 33: 189-195

BEWERTUNGSSYSTEM

*****    = hervorragende Arbeit
****    = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit
***    = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet
**    = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel
*    = erhebliche Mängel

 

NIMA  2 2006


Bewertung: ***





Zielstellung:

Untersucht wurde mit Hilfe von multimodalem Monitoring und serieller PET, welche Auswirkungen die Anhebung des zerebralen Perfusionsdrucks (CPP) auf 70 bzw. 90 mm Hg hat. Einbezogen wurden der invasiv gemessene Hirn-, Perfusions- und Sauerstoff gewebe druck, Mikrodialysedaten und nuklearmedizinische Metabolikdaten (CBV, CBF, CMRO2). Untersucht wurden 11 Patienten mit schweren Schädelhirntrauma (Glasgow-Coma-Score 3-9, Median 7). Die 3-lumigen intrakraniellen Zugänge (Neurotrend) wurden in der Regel so platziert, dass Daten aus Parenchymbezirken gewonnen wurden, die gemäß CCT nicht-kontusionell geschädigt waren. Unterbrochen von einem kurzen Stabilisations intervall wurden PET-Aufnahmen unter 2 verschiedenen (70 bzw. 90 mmHg) Perfusions druckbedingungen (CPP) unter verschiedenen Noradrenalininfusionsraten registriert.

Design:

Prospektive monozentrische Interventionsstudie

Wichtige Resultate:

Mit der Anhebung des CPP kam es zu a) einem signifikanten Anstieg des zerebralen Blutflusses und b) einer Reduktion der Sauerstoffextraktionsrate, jeweils mit einer Änderung um ca. 10%. Außer dem Sauerstoffgewebedruck (22 vs. 17 mmHg) änderte sich keiner der anderen untersuchten Parameter (pH, CO2-Parenchym, Glukose, Laktat, Pyruvat, Glycerol) in signifikantem Umfang.


Schlussfolgerungen:

Die Autoren folgern aus ihren Daten, dass die Anhebung des CPP sich eigentlich nur in einem gering erhöhten Sauerstoffangebot im Parenchym niederschlägt. Die in ihrem Ausmaß jedoch geringere Erniedrigung der Sauerstoffextraktionsrate kann aber als Hinweis dafür genommen werden, dass sich das Verhältnis zwischen Angebot und Bedarf positiv zu verändern scheint. Die Aussagekraft der Ergebnisse erscheint dadurch eingeschränkt, dass bereits bei 70 mmHg CPP keiner der untersuchten Patienten Sauerstoffgewebsdrucke aufwies, die als ischämisch-hypoxisch zu werten wären. Die Autoren vermuten, dass bei Zugrundelegung normaler Sauerstoffextraktionsraten die untere hypoxische Grenze des Sauerstoffgewebsdrucks bei 14 mmHg liegt.

Kommentar:

Als eindeutig gesichert darf momentan gelten, dass arteriell-hypotensive Phasen nach SHT dem Outcome von Patienten mit kritischem ICP abträglich sind. Die vorliegende prospektive Untersuchung sollte zur Klärung beitragen, inwieweit die aufgrund negativer Effekte (z.B. ARDS) in die Diskussion geratene Praxis der starken Anhebung des zerebralen Perfusionsdrucks tatsächlich dem Stoffwechsel des Patienten mit Schädelhirntrauma zugute kommt. Die dahinter stehende Rationale einer in Folge induzierter arterieller Hypertension autoregulativ vermittelten Vasokonstriktion mit nachfolgender Verminderung von CBV und damit ICP wird von vielen Autoren geteilt und ist im klinischen Alltag oft nachvollziehbar (Rosner et al. 1995). Hierzu konkurrieren alternative Konzepte (Lund-Therapie), die auf eine positive Beeinflussung des Kapillardrucks zur CBV-Minderung u.a. durch Einsatz von ß-Blockern und Clonidin abzielen (Eker et al. 1998). In jedem Fall ist das für die optimale CPP-Niveau nicht geklärt, da hierzu keine randomisierten Studien vorliegen (Feen und Suarez 2005). Gegenwärtige Empfehlungen nennen Werte mindestens oberhalb 60 mmHg CPP (www2.braintrauma.org) und als Zielkorridor werden oft 70 bis 90 mmHg angegeben.
Mit den hierfür zurzeit aussagekräftigsten Methoden ist diese Untersuchung sehr sorgfältig und aufwändig durchgeführt worden, alle Patienten waren mehrfach in der PET-Untersuchung und lieferten Mikrodialyseresultate, die mit den PET-Daten und Monitoring-Ergebnissen verglichen werden konnten. Damit stand eine Praxis und ein Schulenstreit nach Jahren auf dem Prüfstand.
Bestätigen konnte diese Untersuchung aber letztlich nur einen gewissen Anstieg des Sauerstoffgewebedrucks durch die Anhebung des CPP, ohne dass der zerebrale Kohlenhydrat- und Säure-Basenstoffwechsel hiervon nachweisbar profitierten. Diese Ergebnisse unterstützen vorherige Befunde von Stocchetti 1998, die ebenfalls eine positive Korrelation zwischen CPP und Gewebesauerstoffdruckveränderung zeigten. Immerhin drückt sich die Verbesserung der O2-Versorgung im PET in einer ebenfalls nur leicht verminderten Sauerstoff extraktionsrate aus, es dominieren aber starke interindividuelle Unterschiede der Effekte. Berechenbare eindrucksvolle Abweichungen des Hirnstoffwechsels scheint die CPP-Anhebung von 70 auf 90 mmHg also nicht zu vollbringen, dies scheint die Studie zu zeigen. Es bleibt allerdings offen, ob der Metabolismus weitergehend davon profitieren würde, wenn man bei niedrigeren O2-Ausgangswerten therapieren würde (z.B. Steigerung 60 auf 70 mmHg). Interessant wäre ferner, unter gleichen Bedingungen das Lund-Konzept auf seine Auswirkungen zu überprüfen.
Ob die durch die Autoren definierte Schwelle von 14 mmHg Sauerstoffgewebedruck als tatsächlicher ischämischer Grenzwert angenommen werden darf, bedarf sicherlich weiterer Untersuchungen.
Feen ES, Suarez JI (2005) Raised Intracranial Pressure. Current treatment options in Neurology 7: 109-117.
Rosner MJ, Rosner SD, Johnson AH (1995) Cerebral perfusion pressure: management and clinical results. J Neurosurgery 83: 949-962.
EkerC, Asgeirsson B, Grande PO et al. (1998). Improved outcome after severe head injury with a new therapy based on principles for brain volume regulation and preserved microcirculation. Crit Care Medicine 26: 1881-1886.

(HC Hansen)