Wartenberg KE, Schmidt JM, Claassen J, Temes RE, Frontera JA, Ostapkovich N, Parra A, Connoly ES, Mayer SA
In: Crit Care Med 2006; 34: 617- 623


BEWERTUNGSSYSTEM

*****    = hervorragende Arbeit
****    = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit
***    = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet
**    = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel
*    = erhebliche Mängel

 

NIMA 2 2007


Bewertung: ****





Zielstellung:

Die Arbeitsgruppe um Stephan Mayer von der Columbia University in New York untersuchten in dieser Kohortenstudie die Folgen von medizinischen Komplikationen nach Subarachnoidalblutung (SAB) auf die Prognose. Medizinische Komplikationen wie Anämie, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Fieber und Elektrolytstörungen sind häufig und bedrohen die Patienten nach einer SAB vital. In den letzten Jahren ist der Fokus durch die Diskussion Clipping oder Coiling von diesen wesentlichen und intensivmedizinisch sehr relevanten Problemen weggerichtet gewesen, umso wichtiger erscheint diese neue Arbeit.

Design:

Es handelt sich um eine sog. Kohortenstudie, d.h. eine Sammlung von Fällen eines Zentrums, also keinesfalls um eine randomisierte und kontrollierte Studie, was natürlich den Wert deutlich einschränkt. Insgesamt wurden 508 Patienten mit nachgewiesener SAB zwischen Juli 1996 und Mai 2002 an der Columbia University behandelt und in die Untersuchung aufgenommen. Ein standardisiertes Behandlungsprotokoll wurde in dieser Zeit unverändert benutzt. Schlechtes Outcome wurde definiert als Tod oder schwere Behinderung (modified Rankin Score 4-6). Es wurde eine schrittweise logistische Regressionsanalyse durchgeführt um die Häufigkeit und Bedeutung der einzelnen medizinischem Komplikationen für die Prognose abzugrenzen.

Wichtige Resultate:

Eine schlechte Prognose wurde bei 38% der Patienten im Verlauf festgestellt. Insgesamt verstarben 21% der Patienten und 17% hatten eine schwere dauerhafte Behinderung. Insgesamt wurden 26 verschiedene medizinische und neurologische Komplikationen erfasst und ausgewertet. Rund 79% der Patienten entwickelten mindestens eine Komplikation. Die häufigsten Komplikationen waren Fieber (>38,3 Co) (54%), Anämie mit Transfusionspflichtigkeit (30%), behandlungsbedürftige Hypertonie (>160 mmHg systolisch) (27%), Hypernatriämie (>150 mmol/l) (22%), Pneumonie (20%), behandlungsbedürftige Hypotonien (< 90 mmHg) (18%), Lungenödem (14%) und die Hyponatriämie (< 130 mmol/l) (14%). Nach einer Regressionsanalyse mit Beachtung der bekannten Prognosefaktoren Alter, Hunt- Hess Graduierung, Aneurysmagröße, Nachblutung und vasospastischem Hirninfarkt blieben als signifikante Prädiktoren einer schlechten Prognose drei medizinische Komplikationen übrig:
1) das Auftreten von Fieber mit einer Odds Ratio (OR) von 2,0 (CI 1,1- 3,4)
2) eine Anämie mit einer OR von 1,8 (CI 1,1-2,9)
3) eine Hyperglykämie mit einer OR von 1,8 (CI 1,1-3,0)
Alle anderen medizinischen Komplikationen waren keine unabhängige Prognoseindikatoren. Um das Ausmaß der Prognosebeeinflussung zu vergleichen kann man z.b. die Nachblutung anführen, die zu einem individuellen Einfluss von 0,02 in die Regressionsanalyse einging, was allen drei signifikanten Komplikationen zusammen entsprach.

Schlussfolgerungen:

Die Autoren schlussfolgern, dass sie drei wesentliche medizinische Komplikationen als unabhängige negative Prognoseindikatoren nach einer SAB identifiziert haben und damit eine individuelle Vorhersage eines schlechten Outcomes verbessert wurde. Selbstkritisch merken die Autoren an, dass es durch Interventionsstudien geklärt werden muss, ob durch die Korrektur von Fieber, Anämie oder Hyperglykämie eine Prognoseverbesserung erreicht werden kann. Die Autoren empfehlen bis zum Vorliegen solcher Interventionsstudien die Behandlung der drei Bereiche durch Kühlen zur Erreichung der Normothermie, durch Insulinperfusor zur Vermeidung der Hyperglykämie und durch Transfusionen oder Erythropoetingaben zur Vermeidung der Anämie.

Kommentar:

In der Gruppe der Schlaganfallerkrankungen ist die SAB neurologischerseits eher vernachlässigt. Viele Patienten werden primär neurochirurgisch versorgt und in vielen Kliniken spielen Neurologen in der Behandlung der SAB keine große Rolle. Dies ist angesichts der Bedeutung der medizinischen und neurologischen Komplikationen nicht verständlich und ein multidisziplinärer Ansatz unter Einschluss von Neurologen und Intensivmedizinern ist erforderlich. Ob man bzgl. der häufigsten Komplikationen mit einer Schätzung aus der deutschen Erfahrung richtig gelegen hätte, erscheint fraglich. Zum Beispiel entsprechen mehr Hyper- als Hyponatriämien nach SAB nicht der Literatur und der persönlichen Erfahrungen. Von daher dürfen durchaus Zweifel an der Übertragbarkeit der New Yorker Daten geäußert werden. Die Problematik der autonomen Entgleisungen durch hypothalamische und zentral-sympathische Schädigungen geht in dieser Analyse mehr oder minder unter, wobei ein großer Teil der Todesfälle mit Herzstillstand, Herzinfarkt und Arrhythmien nach einer Abbildung (Figure 1) kombiniert war. Wie der Fehlerteufel sich einschleichen kann, zeigt dieselbe Abbildung in der zweimal "Survived Cardiac Arrest" als Komplikation aufgeführt wurde. Leider fehlen Daten zur Therapie und man wundert sich, dass der APACHE-2 Score und der GCS nicht eingearbeitet wurden.
Trotz der obigen Kritik eine wichtige Arbeit eines sehr aktiven SAB-Zentrums (rund 100 Patienten pro Jahr) mit der wichtigen "Take home message": es gibt bei SAB mehr als nur die Frage Clipping oder Coiling, sondern diese Erkrankung ist eine wesentliche intensivmedizinisch relevante für die NICU.


(G. Hamann)