Weiterbildung

Die Neurointensiv- und Notfallmedizin hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr zu einem zentralen Bestandteil der allgemeinen medizinischen Akutversorgung und intensivmedizinischen Behandlung entwickelt. Sie ist schon am Anfang der Behandlungskette im Rettungsdienst sowie in den Notaufnahmen nicht mehr wegzudenken. Damit hat die Bedeutung der Neurofächer ganz wesentlichen Auftrieb bekommen und sich entscheidend von einer betrachtenden hin zu einer (be-)handelnden Arbeitsweise entwickelt.

Auch das Miteinander von Neurologen und Neurochirurgen hat sich in diesem Zusammenhang ganz wesentlich weiter entwickelt, sicher auch gefördert durch die spektakulären Fortschritte der Neuroradiologie als Schnittstelle zwischen Neurologie und Neurochirurgie.Schließlich ist die Neurointensivmedizin auch aus der anästhesiologischen Intensivmedizin nicht mehr wegzudenken.

Diese Entwicklung hat die Deutsche Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin (DGNI) zum Anlass genommen, im Rahmen der letzten ANIM-Tagung in Würzburg Vertreter der amerikanischen Neurointensivgesellschaft, der Neurocritical Care Society, einzuladen, um einen internationalen Gedankenaustausch zum Thema Neurointensivmedizin zu ermöglichen. Neben interessanten wissenschaftlichen Aspekten im Rahmen dieses Symposiums haben sich auch ganz wesentliche Einblicke in das US-amerikanische Neurointensiv-System ergeben, das sich doch wesentlich von unserem unterscheidet. So ist die interdisziplinär ausgerichtete Behandlung neurointensivmedizinischer Patienten sehr viel weiter fortgeschritten als bei uns. Der Neurointensivmediziner ist selbstverständlich nicht ein Anästhesist, ein Internist, ein Chirurg, ein Neurologe oder ein Neuropädiater. Er stammt viel mehr aus diesen Fachgruppen und erlangt im Rahmen seiner Weiterbildung  in „Neurocritical Care“ eine umfassende, nicht nur neuro- sondern auch allgemein-intensivmedizinische Ausbildung. „Von dieser Sichtweise sind wir in Deutschland weit entfernt und beharren immer noch auf eng gefassten historisch entstandenen Ausbildungswegen der jeweiligen Fachgruppen“, bedauert DGNI-Präsident Prof. Georg Gahn.

Er warnt davor, dass die Neurologen durch diese fachbezogene Sichtweise den Anschluss an die Neurointensivmedizin zu verlieren drohen. In nur wenigen Großkrankenhäusern und Universitätskliniken wird die Neurointensivmedizin noch durch Neurologen oder Neurochirurgen betrieben oder gar als ein zentrales Aufgabenfeld der jeweiligen Fächer betrachtet. Dadurch gehen Kompetenzen verloren, die in der neuen Weiterbildungsordnung als Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten beschrieben werden, z.B. schon einfachere intensivmedizinische Maßnahmen wie das Legen eines zentralen Zuganges, eine Intubation,  ein einfaches Beatmungsmanagement,  eine kalkulierte Antibiotikatherapie oder gar ein invasives hämodynamisches Monitoring. Welcher Neurologe ist in der Lage, ein Notfallherzecho durchzuführen?

Ein problematischer Aspekt dieser Entwicklung liegt in der unzureichenden Weiterbildung junger Mitarbeiter in der Neurointensivmedizin. Dabei sind Interesse und Leistungsbereitschaft der jungen Kolleginnen und Kollegen vorhanden. Schließlich ist die Beherrschung von basalen intensivmedizinischen Maßnahmen nur die Konsequenz aus der immer intensiveren Einbindung der Neurofächer an sich in die Notfallmedizin.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat die enorme Wichtigkeit der Neurointensivmedizin für das Fach Neurologie erkannt und bewertet sie mit höchster Priorität. Dies führt einerseits kurzfristig zu einer größeren Gewichtung der Neurointensivmedizin innerhalb der Jahrestagungen der DGN im Rahmen von Symposien und Fortbildungsveranstaltungen zu neurointensivmedizinischen Themen. Andererseits hat die DGN eine Kommission „Neurologische Intensivmedizin“ auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin gegründet, um die Weiterbildung und Präsenz der Neurofächer in der Neurointensiv- und Notfallmedizin zu strukturieren und zu stärken.

Die Mitglieder der Kommission „Neurologische Intensivmedizin“ stammen aus ganz verschiedenen Bereichen der Akut-, Notfall- und Intensivmedizin, aus verschiedenen intensivmedizinischen Fachgesellschaften und aus verschiedenen hierarchischen  Ebenen, um die Neurointensivmedizin auf breiter Ebene voranzubringen und insbesondere die jungen Kollegen für diesen zentralen Aspekt der Neurologie und Neurochirurgie zu begeistern.  Ein Ziel liegt auch in der engeren Einbindung der Neurofächer in die intensivmedizinische Dachgesellschaft, die Deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).

Die erste Sitzung der Kommission „Neurologische Intensivmedizin“ wird im Rahmen der DGN-Tagung in Berlin im November dieses Jahres stattfinden. Danach werden wir in diesem Rahmen darüber berichten.

Autorenkontakt:
Prof. Dr. med. Georg Gahn M.B.A.
Präsident der DGNI
Städtisches Klinikum Karlsruhe, Neurologische Klinik
Moltkestraße 90, 76133 Karlsruhe
Tel.: 0721 / 974 36 01
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

© Robert Kneschke / fotolia.com