Weber Joerg Tagungspraesident ANIM 2017Überaus glücklich blickt Professor Jörg R. Weber vom Klinikum Klagenfurt auf die Arbeitstagung NeuroIntensivmedizin (ANIM) in Wien zurück. „Ich bin wirklich sehr zufrieden, wir hatten tolle Höhepunkte und insgesamt auch sehr viel Spaß – das darf alles nicht zu kurz kommen“, sagt der Kongresspräsident. „Unser Programm hat für alle eine gute Mischung geboten. Von hochkarätiger Wissenschaft bis hin zu ganz praktischen Themen“. Einer der Höhepunkte der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) war das prominent besetzte Präsidentensymposium. Auch das DGNI-Präsidium wurde neu gewählt. Und die Poster-Session wurde erstmals komplett digital an Infoscreens abgebildet. Insgesamt kamen vom 16. bis 18. Februar rund 1.400 Teilnehmer ins Austria Center nach Wien, um an rund 70 Einzelveranstaltungen teilzunehmen.

Besonders gefreut hat sich Weber darüber, dass auch Themen zu seltenen Erkrankungen bei der ANIM gut angenommen wurden. „Es saßen manches Mal 400 Interessierte im Plenum, auch wenn die besprochenen Aspekte im Berufsalltag eher seltener vorkommen“. Insgesamt gab die ANIM wieder wichtige Impulse für die Neurologie, Neurointensivmedizin und Neurochirurgie. Schwerpunktthemen der diesjährigen Symposien waren zum Beispiel Neuroinfektiologie und Autoimmunität des Nervensystems, Gerinnungssystem und Temperaturmanagement in der Neurointensivmedizin sowie periinterventionelles Management bei endovaskulären Eingriffen. Neuerungen im Bereich Schlaganfall und Schädel-Hirn-Trauma gehörten ebenso zum Programm wie die Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls. „Es war die perfekte Tagung zum Wissensaustausch, zum Netzwerken und perfekt dazu geeignet, um wichtige Themen voranzubringen“, sagt Professor Jürgen Meixensberger, der während der ANIM turnusmäßig vom Amt des DGNI-Präsidenten in die Position des 1. Vizepräsidenten wechselte. Die DGNI-Führung übernahm Professor Georg Gahn, Direktor der Neurologischen Klinik am Städtischen Klinikum Karlsruhe.

Die Versorgung in der NeuroIntensivmedizin muss besser werden

Wichtige Themen waren für Meixensberger zum Beispiel die Weiterbildung, der internationale Austausch im Bereich Management des Hirntumors aber auch das Qualitätsmanagement. In der NeuroIntensivmedizin müsse weiter an der Versorgungsqualität gearbeitet werden. Zu diesem Ergebnis kommt Professor Otto Busse, langjähriger Generalsekretär der DGNI. Über einen Zeitraum von drei Jahren wurden 320 Intensivstationen begangen. „Wir wollten hier genau wissen, wie die ärztliche Versorgung in der NeuroIntensivmedizin aktuell aussieht“, sagt Busse. Das bei der ANIM präsentierte Ergebnis spricht eine klare Sprache: Nicht nur die ärztliche Versorgung, sondern auch die Weiterbildungsmöglichkeiten sind verbesserungswürdig. Nach der Auswertung zeigt sich, dass es in 30 bis 40 Prozent der interdisziplinären Intensivstationen kein Dreischichtdienstsystem gibt, das heißt, es ist nicht 24 Stunden am Tag ein Arzt vor Ort. „Generell gab es zu wenig Oberärzte auf den Stationen, die eine Befugnis zur Intensiv-Weiterbildung haben“, sagt Busse. „Damit kann keine qualitätsvolle fachliche Versorgung gewährleistet sein.“ Aber nicht nur die interdisziplinären Stationen weisen Mängel auf. Auch nur etwas mehr als die Hälfte der untersuchten eigenständigen Neurointensivstationen verfügen über ein Dreischichtdienstsystem. Insgesamt appelliert Busse an die Klinik-Geschäftsführungen, für eine bessere Versorgung und eine gesicherte Weiterbildung zu sorgen.

Präsidentensymposium: Weltweit gefragte Wissenschaftler präsentieren ihre Erkenntnisse

Über 500 Teilnehmer freuten sich beim Präsidentensymposium auf neue Erkenntnisse aus der Meningitis-Forschung, auf Informationen zu anderen Infektionen des Zentralen Nervensystems und auf aktuelle Erkenntnisse zum Thema irreversibler Hirnfunktionsausfall. Die Rolle des NeuroIntensivmediziners beim Management des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls hat Professor Eelco Wijdicks von der Mayo Clinic in Rochester (USA) beleuchtet. Wijdicks gilt als einer der profiliertesten NeuroIntensivmediziner auf dem Gebiet des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls. Auf der ANIM präsentierte er aktuelle Fallbeispiele und Schulungsmöglichkeiten aus seinem Simulationszentrum für Intensivmediziner, die auch für deutsche Kliniken ein Vorbild sein könnten.

Aus den Niederlanden war Professor Diederik van de Beek zu Gast. Er erforscht am Academic Medical Center in Amsterdam die bakterielle Meningitis. Während des Symposiums zeigte er aktuelle Entwicklungen im Epidemiologie-Management auf. „Wir müssen eine noch frühere Behandlung der Patienten innerhalb der ersten Stunde nach deren Eintreffen bei uns ermöglichen“, so der Niederländer. „Aber wir brauchen auch noch mehr randomisierte Studien zu diesem Thema.“

Professor Erich Schmutzhard von der Universitätsklinik für Neurologie in Innsbruck sprach über Infektionen wie Malaria-Erkrankungen. „Mit der Globalisierung ist auch klar, dass zahlreiche Krankheiten der Welt auch zu uns kommen können. Jetzt gilt es, importierte Erkrankungen des Nervensystems schnell zu erkennen und direkt zu behandeln,“ sagt Schmutzhard. Das stelle die Medizin auch in der aktuellen Flüchtlingsdebatte vor große Herausforderungen. Hier sieht Schmutzhard noch großen Aufklärungsbedarf in der NeuroIntensivmedizin.

IGNITE Zukunftssymposium: Personal ausbilden, Netzwerke besser nutzen

Mit der Zukunft der NeuroIntensivmedizin hat sich das DGNI-Netzwerk IGNITE (Initiative of German NeuroIntensive Trial Engagement) während der ANIM beschäftigt. Beleuchtet wurde die Entwicklung weg von spezialisierten Neurointensivstationen, hin zu großen, interdisziplinären Einrichtungen. Zwar seien dort Intensivneurologen oder -neurochirurgen auch mit vertreten, aber nur als kleiner Teil des Teams oder nicht kontinuierlich anwesend. „Deshalb kommt es darauf an, das Personal entsprechend auszubilden und zu trainieren, damit durch deren Expertise die Standards hochgehalten werden“, heißt es einvernehmlich im Podiumsgespräch zwischen Professor Wijdicks sowie Tagungspräsident Professor Jörg Weber und Professor Jürgen Meixensberger aus dem DGNI-Präsidium. „In den Kliniken könnte man personelle Rotationskonzepte ins Leben rufen und vorhandene Instrumente wie die Telemedizin, Simulationszentren und Netzwerke noch besser nutzen, um das Knowhow auch in die Fläche zu bringen.“, ergänzt IGNITE-Sprecher und Podiumsmoderator Professor Julian Bösel. „Wir haben hier sicher noch einige Aufgaben zu lösen. Aber gerade in puncto Ausbildung können wir sehr selbstbewusst unsere Position vertreten. Wir sollten zuversichtlicher sein“, sagt Kongresspräsident Jörg Weber.

Über 20.000 Euro für den Nachwuchs: DGNI zeichnet hervorragende Leistungen aus

Zuversichtlich sind Weber und Meixensberger auch, wenn es um herausragende Arbeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses geht. Der mit 20.000 Euro dotierte Nachwuchsförderungspreis der DGNI geht in diesem Jahr an Dr. med. Walid Albanna (34), Facharzt für Neurochirurgie am Universitätsklinikum der RWTH Aachen. Er hat den Preis im Rahmen der Wiener Jahrestagung entgegengenommen und kann damit seine Forschung für ein weiteres Jahr finanzieren. „Unser großes Ziel ist, durch den einfachen Blick in die Augen frühzeitig Gefäßeinengungen und Hirnfunktionsstörungen bei Patienten mit aneurysmatischer Subarachnoidalblutung in der kritischen Phase zu erkennen. Damit wären invasive Maßnahmen in Zukunft überflüssig“, erklärt Albanna seine Forschungsarbeit.

Den ersten DGNI-Pflegepreis über 500 Euro hat Verena Iffländer vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf gewonnen. Die 28-jährige Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege hat sechs Preiskuratoren von ihrer Arbeit über das Locked-In-Syndrom überzeugen können. Iffländer präsentierte ihr Thema im Rahmen der ANIM und setzte sich vor Ort gegen zwei weitere Mitbewerber durch. Die Jury lobte ihre Präsentation und die Auseinandersetzung mit dem Thema: „Verena Iffländer ist es gelungen, einem sehr spezifischen Thema zu neuer Aufmerksamkeit in der Pflege zu verhelfen“, sagt Jury-Koordinator Matthias Kruse aus dem DGNI-Präsidium.