Kaushal R, Bates DW, Franz C, Soukup JR, Rothschild JM
In: Critical Care Medicine 2007; 35: 2479-2483

 

BEWERTUNGSSYSTEM

*****    = hervorragende Arbeit
****    = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit
***    = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet
**    = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel
*    = erhebliche Mängel

 

NIMA 08


Bewertung: ***





Zielstellung:

Bestimmung der Kosten intensivmedizinischer Behandlungskomplikationen.

Design:

Monozentrische Fall-Kontroll-Studie über ein Jahr an einer allgemein internistischen und einer kardiologischen 10-Betten-Intensivstation einer amerikanischen universitären Einrichtung.

Wichtige Resultate:

108 Fälle mit 159 Komplikationen wurden mit 375 Kontrollen verglichen. Fälle und Kontrollen stimmten in folgenden Parametern überein: Ort, Dauer der Vorbehandlung und Behandlungskosten bis Komplikation. Die meisten Komplikationen betrafen das pulmonale System (23%; meist Pneumonien), gefolgt vom kardiovaskulären System (16%) und Infektionen (14%); 2.5% der Komplikationen waren tödlich; 44% wären vermeidbar gewesen und 41% waren medikament-assoziiert. 89% der Patienten hatten nur eine Komplikation. Die Behandlungsdauer und -kosten waren in der internistischen Intensivstation höher. Die Kosten einer Komplikation betrugen ca. 3900 USD und verlängerten den Krankenhausaufenthalt um ca. einen Tag.

Schlussfolgerung:

Intensivmedizinisch behandelte Patienten haben häufig Behandlungskomplikationen mit erheblich erhöhten Behandlungskosten. Diese Probleme sollten Präventionsstrategien in den Vordergrund rücken.

Kommentar:

Bei der Studie von Kaushal et al, handelt es sich um einen "spin-off" der Critical Care Safety Study (CCSS). Die Arbeitsgruppe hat sich in der Vergangenheit intensiv mit medizinischen Behandlungsfehlern auseinander gesetzt, was eine lebhafte Diskussion in Gang setzte. Dennoch ist der Titel irreführend, da nicht tatsächliche Kosten in der Studie ermittelt wurden, sondern die Inzidenz von Behandlungsfehlern, wie in einer vorangegangenen Arbeit der selben Autoren. Die Gesamtkosten wurden durch Multiplikation der Inzidenz mit den Kosten einer Datenbank der Krankenhausverwaltung ermittelt. Die Daten sind leider relativ alt (Erhebungsdaten bis 2003). Zu der Zeit lief zudem in dem Krankenhaus schon eine randomisierte Studie zum Vergleich verschiedener Dienstmodelle, was die Ergebnisse warhscheinlich beeinflusste. Die Daten stammen aus einer relativ kleinen Stichprobe und nur aus einem Zentrum, sind also wahrscheinlich nicht repräsentativ. Patienten, die mehr als eine Kompliation pro Tag erlitten, konnten nicht erfasst werden. Fälle und Kontrollen konnten nicht ausreichend in Geschlecht, Ethnizität und APACHE-Score gematcht werden, was bei retrospektiven Studien dieser Sorte ein typisches Problem ist. Dennoch beinhalten die Daten einen Einblick in die ökonomischen Folgen von intensivmedizinischen Komplikationen. Es ist anzunehmen, dass durch Bewusstseins- und Schluckstörungen wahrscheinlich noch mehr respiratorische Komplikationen in neurologischen Intensivstationen auftreten könnten. In Zeiten der Fallpauschalen sollten diese Zahlen die Aufmerksamkeit der Krankenhausleitung auf effektive Präventionsstrategien lenken.

Literatur:

N Engl J Med. 2004 Oct 28;351(18):1838-48. Effect of reducing interns' work hours on serious medical errors in intensive care units. Landrigan CP, Rothschild JM, Cronin JW, Kaushal R, Burdick E, Katz JT, Lilly CM, Stone PH, Lockley SW, Bates DW, Czeisler CA.

1: Crit Care Med. 2005 Aug;33(8):1694-700.The Critical Care Safety Study: The incidence and nature of adverse events and serious medical errors in intensive care. Rothschild JM, Landrigan CP, Cronin JW, Kaushal R, Lockley SW, Burdick E, Stone PH, Lilly CM, Katz JT, Czeisler CA, Bates DW.


(M. Weih)