Kopelnik A, Zaroff JG In: Crit Care Clin 2007; 22: 733- 752

 

BEWERTUNGSSYSTEM

*****    = hervorragende Arbeit
****    = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit
***    = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet
**    = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel
*    = erhebliche Mängel

 

NIMA 08


Bewertung: ***





Zielstellung:

Dieser Review der Kollegen aus San Francisco beschäftigt sich mit den neurokardiogenen Veränderungen nach Schlaganfällen. Die Autoren ziehen hier die Linie von Harvey Cushing und seinen frühen neurokardiogenen Experimenten hin zu der erst kürzlich beschriebenen Tako-Tsubo Kardiomyopathy, bei der es durch verschiedene Stressformen zu einer Kardiomyopathie mit Ballonierung und Akinesie der Ventrikelspitze des Herzens kommt. Ziel der Autoren ist die Darstellung des aktuellen Wissens aus dem Bereich der akuten Neurokardiologie.

Design:

Es handelt sich um einen Review.

Wichtige Resultate:

Zuerst gehen die Autoren auf die bekannten EKG-Veränderungen ein.
Besonders gut untersucht sind das lange QT-Intervall, was bei 45- 71 % der SAB Patienten, 64% der Patienten mit intrazerebraler Blutung und 38% der Hirninfarkte beschrieben wurde, zusätzlich die Repolarisationsstörungen (ST-Veränderungen). Diese können Herzinfarkt-typische Veränderungen (ST-Hebungen, Erstickungs-T-ähnliche "cerebral T-Wave") imitieren. Die Bedeutung dieser EKG-Veränderungen für die Entwicklung von Herzrhythmusstörungen wird erläutert.
Herzrhythmusstörungen werden bei 20- 40% der Patienten mit Hirninfarkt oder intrazerebraler Blutung und nahezu 100% der Patienten mit SAB beschrieben. Es treten dabei auf: Bradykardien, supraventrikuläre Tachykardien, Vorhofflattern und -flimmern, ektope Extrasystolien, multifokale ventrikuläre Tachykardien, Torsade de points, Kammerflattern und - flimmern. Der erhöhte Sympathikotonus wird als Hauptursache der Arrhythmien gesehen. Der Sinusknoten ist verstärkt unter rechtshemisphärischer Kontrolle und rechtsinsuläre Läsionen führen zu verstärkter Bradykardie und Blutdruckabfall, aber auch zu verstärkten Arrhythmien durch eine parasympathische Dysinhibition, linksinsuläre Läsionen führen zu Tachykardien und hypertensiven Entgleisungen. Die Behandlung bedeutet die Überwachung, Korrektur von Elektrolytstörungen und die Gabe von Magnesium, was die Wahrscheinlichkeit von auch torsade de points reduziert. Auch myokardiale Veränderungen mit Mikroinfarkten und Myofibrillennekrosen werden beschrieben, ähnlich, wie sie nach Katecholinfusionen, hypothalamischer Stimulation oder dem sog. Voodoo-Tod gesehen werden. Entsprechend werden Erhöhungen der Herzenzyme und Herzdysfunktionen beschrieben.
Ausführlich gehen die Autoren auf Therapiemöglichkeiten dieser unerwünschten neurokardialen Rückkoppelung ein: v.a. Betablocker werden als hilfreich eingestuft, aber sind wenig untersucht und die Autoren fordern, wie so oft, größere Studien zur Therapieeffizienz. Herzkatheteruntersuchungen seien entbehrlich und nur in Einzelfällen indiziert. Lediglich bei Hirninfarktpatienten sollte man sich überlegen bei persistierenden kardialen Auffälligkeiten eine ausführliche kardiale Abklärung durchzuführen. Ein Sonderfall ist die Herzuntersuchung bei hirntoten Patienten um die Explantationsfähigkeit des Herzens abzuschätzen.

Schlussfolgerungen:

Die Autoren schlussfolgern, dass neurokardiogene Veränderungen häufig sind, ein Monitoring sei wichtig um Arrhythmien frühzeitig zu erkennen und evtl. zu behandeln. Die meisten der akuten kardialen Veränderungen durch neurologische Erkrankungen seien gut rückbildungsfähig nach Beendigung der Akutphase oder Behandlung der Grunderkrankung.

Kommentar:

Eine gute Übersichtsarbeit in der aber die umfangreichen Vorarbeiten deutscher Autoren (Erstbeschreibung von neurogenen EKG Veränderungen der Aschenbrenner 1938) fehlen. Auch die neuen Arbeiten von deutschen Gruppen (wie Sander et al.) fehlen unverständlicherweise. Eigentlich findet sich nichts Neues in diesem Review, aber man kann jede Aufmerksamkeit für dieses interessante klinische Problem nur begrüßen.

(G. F. Hamann, )