Brimioulle S, Orellana-Jimenez C, Aminian A, Vincent J-L                                                                                                                                     In: Intensive Care Med 2008; 14: 703- 709

 

BEWERTUNGSSYSTEM

*****    = hervorragende Arbeit
****    = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit
***    = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet
**    = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel
*    = erhebliche Mängel

 

NIMA_1-2010


Bewertung: ***





Zusammenfassung:

Hyponatriämien als Ausdruck neuroendokriner Störungen sind bei neurologischen Intensivpatienten, aber auch bei akut neurologischen Kranken häufig. Zwar ist diese Hyponatriämie häufig nur ein Laborbefund und nur selten klinisch relevant, aber bei klinischer Relevanz immer komplikationsträchtig und im Verlauf prognostisch wichtig. Reflexartig wird von den meisten Neurologen bei einer Hyponatriämie bei einer neurologischen Erkrankung an ein SIADH (Syndrom der inappropriaten ADS-Sekretion) gedacht. Die belgischen Autoren aus Brüssel untersuchten inwieweit bei Hyponatriämien bei neurologischen Patienten, entweder dieses SIADH oder das seltenere Cerebral-Salt-Wrasting-Syndrom (CSWS) vorlag. Die Unterscheidung zwischen dem SIADH und dem CSWS ist wichtig, da die empfohlene Behandlung mittels Flüssigkeitshaushaltsveränderung hier gegenläufig ist. Beim SIADH kommt es durch eine massive Sekretion von ADH zu einer Wasserretention und Hypervolämie mit sekundärer Diurese. Die Behandlung symptomatisch ist hier Wasserrestriktion. Beim CSWS auf der anderen Seite kommt es zur Freisetzung natriuretischer Faktoren mit verstärkter Diurese und vor allem Natriurese, aber Hypovolämie. Die symptomatische Behandlung besteht in der Gabe von Flüssigkeiten und in der Gabe von Natrium. Beim SIADH ist das Blutvolumen hoch oder zumindest normal, beim CSWS ist es deutlich erniedrigt. Die Autoren untersuchten nun, inwieweit das Blutvolumen der Patienten mit Hyponatriämie verändert war, um zurückzuschließen, ob es sich um ein CSWS oder ein SIADH handelt. Zwischen September 2000 und August 2003 wurden alle neurologisch akut erkrankten Patienten, die auf die Intensivstation der Erasmus Universität Brüssel aufgenommen wurden, und deren Hyponatriämie länger als 24 Stunden dauerte, in die Studie aufgenommen. Voraussetzung war ein Serum-Natriumwert von 200 mosmol/kg. Ausschlusskriterien waren Nierenerkrankungen, Nebennieren- und Schilddrüsenerkrankungen, Leberzirrhose, Herzerkrankungen mit Herzinsuffizienz, offensichtliche Dehydratation oder Hypovolämie, Kortikoid-Therapie oder kürzliche Gabe von Diuretika, Mannitol oder Harnstoff. Hyponatriämische Patienten erhielten isotone Kochsalzlösung und mindestens 2 Liter Flüssigkeit. Als Kontroll-Patienten wurden Patienten untersucht mit akuten neurologischen Erkrankungen mit normalem Serum-Natrium von 135-145 mEq/L und normaler Serumosmolalität (280-308 mosmol/kg). Das Blutvolumen wurde entsprechend der Empfehlung des International Council for Standardisation in Haematology gemessen. Je 20 Patienten wurden in jeder Gruppe (hyponatriämischer Gruppe und Kontrollgruppe) aufgenommen. Interessanterweise fand sich zwischen Kontrollen und hyponatriämischen Patienten kein Unterschied im Blutvolumen in ml/kg. Dies lag zwischen 58 +/- 5 und 50 +/- 8 ml/kg. Somit war klar, dass bei diesen Patienten kein CSWS vorlag, sondern wie meist vermutet ein SIADH.
Das das Blutvolumen beim SIADH normal war, war nach Aussagen der Autoren am ehesten dadurch bedingt, dass es bei einer Hypervolämie zu einer kompensatorischen Natriurese und Diurese kommt, welche das erhöhte Blutvolumen wieder ausgleicht. Als Nebenbefund fiel auf, dass das Blutvolumen, das Plasmavolumen und das RBC (Red Blood Cell) Volumen bei neurologischen Akutkranken sehr niedrig ist, verglichen mit den traditionellen Referenzwerten. Ursache könnte hierfür die Immobilisation und der Flüssigkeitshaushalt sein. Patienten mit normalem Blutvolumen haben in der Regel kein CSWS, sondern ein SIADH.

Kommentar:

Es handelt sich hier um eine relativ kleine Studie mit jeweils 20 Patienten, die entweder eine Hyponatriämie oder keine Hyponatriämie hatten und akut neurologisch erkrankt waren. Die Bestimmung des Blutvolumens führte bei diesem Patienten dazu, dass in den Fällen mit Hyponatriämie ein SIADH und kein Cerebral-Salt-Wrasting-Syndrom diagnostiziert wurde. Die zugrunde liegende Ursache bei den Patienten waren im Vordergrund stehend Schädel-Hirn-Traumen und Subarachnoidalblutungen.
Der Aussagewert dieser Studie ist relativ gering in meinen Augen, da die Patientenzahl sehr gering ist, die klassischen Patienten mit einem CSWS in dieser Studie gefehlt haben. Was kann man als praktische Schlussfolgerung aus dieser Studie ziehen? Ich denke, dass die Schlussfolgerung der Autoren, dass ein normales Blutvolumen auf ein SIADH hinweist, nachzuvollziehen ist. Ein Cerebral-Salt-Wrasting-Syndrom hat fast immer ein deutlich reduziertes Blutvolumen. Diese Bestimmung kann zur Differentialdiagnose herangezogen werden. Wie immer sind größere Studien zu fordern und natürlich auch Studien mit therapeutischer Intervention, um zu sehen wie prognostische Parameter aus den gewonnenen Erkenntnissen der Einordnung als SIADH oder CSWS gezogen werden können.

(Hamann, Gerhard F., Prof. Dr., HSK Dr. Horst Schmidt Klinik, Neurologische Klinik, Ludwig-Erhard-Str. 100, 65199 Wiesbaden)