B. Guarneri, G. Bertolini, N. Latronico
In: J Neurol Neurosurg Psychiatry 2008; 79: 838-41

 

BEWERTUNGSSYSTEM

*****    = hervorragende Arbeit
****    = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit
***    = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet
**    = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel
*    = erhebliche Mängel

 

NIMA_1-2010


Bewertung: **





Zielstellung:

Vorhersage des langfristigen Outcomes bei Intensivpatienten mit Critical illness-Polyneuropathie (CIP) und -Myopathie (CIM).

Design:

Multicenter Studie, prospektive Kohorten-Studie Januar 1998 bis März 2001 mit Nachuntersuchungen nach 3, 6 und 12 Monaten (klinisch, MRC-Score, Elektrophysiologie).

 

Wichtige Resultate:

Von 92 eingeschlossenen ICU-Patienten (Alter über 15 Jahre) entwickelten 28 elektrophysiologische Zeichen einer CIP und/oder CIM während des Intensivaufenthalts. Diese persistierten bei 18 Patienten bis zum Ende der Intensivbehandlung. Bei Krankenhausentlassung wurden von 15 überlebenden Patienten (drei waren zwischenzeitlich verstorben) 6 mit CIM diagnostiziert, 4 mit CIP und 3 Patienten kombiniert mit CIP und CIM. Zwei unkooperative Patienten konnten nicht eindeutig CIP oder CIM zugeordnet werden.
Von den Patienten mit CIM war einer sechs Monate nach Krankenhausentlassung verstorben. Von den 5 überlebenden Patienten hatten 3 eine komplette Remission innerhalb von 3 Monaten und 2 Patienten innerhalb von 6 Monaten. Von den 4 Patienten mit CIP hatte sich einer ein Jahr nach Krankenhausentlassung erholt, 2 hatten persistierende Muskelschwächen und einer blieb tetraparetisch. Von den 3 Patienten der gemischten Diagnose CIP/CIM starb einer, einer erholte sich und einer blieb tetraplegisch mit Zeichen einer CIP. Ein Patient konnte nicht nachuntersucht werden.


Schlussfolgerungen:

Die Autoren schließen, dass die CIM eine bessere Prognose als die CIP hat. Die Differentialdiagnose zwischen diesen beiden ICU-Komplikationen sei daher wichtig für die Einschätzung der Langzeitprognose.

Kommentar:

Es handelt sich um eine Multicenter Studie aus Italien, die über 3 Jahre und 2 Monate in 9 neurologischen Intensivstationen lief, die zur Gruppo Italiano per la Valutazione degli Interventi in Terapia Intensiva (GiViTI) gehören. Wieso bei dieser breit angelegten Multicenter-Studie insgesamt nur 92 Patienten eingeschlossen wurden und welche Auswahlkriterien hierfür getroffen worden waren, bleibt unklar. Bei 28 dieser 92 Patienten wurde klinisch und elektrophysiologisch eine CIP oder CIM diagnostiziert. Von diesen überlebten schließlich 15 die Zeit auf der Intensivstation. Ein weiterer Patient verstarb während der einjährigen Beobachtungsphase. Hieraus resultiert, dass sich in den 3 Gruppen (CIP, CIM, CIP/CIM) nur jeweils niedrige einstellige Patientenzahlen finden. Die Aussagekraft bezüglich der Prognose ist durch diese geringen Zahlen von vornherein limitiert, und die Autoren versuchen auch gar nicht, mit diesen Zahlen in eine statistische Analyse zu gehen.
Die vorliegende Studie ist die erste, die sich mit dem differentiellen Outcome von CIP und CIM beschäftigt. Sie ist aber sicherlich zu klein angelegt, um eine vernünftige Aussage darüber zu treffen, welche Prognose CIP und CIM haben und ob die Prognose für die CIM tatsächlich, wie durch das vorgelegte Zahlenmaterial suggeriert, besser ist als die der CIM.


(E. Hund)