Richard R. Riker, Yahya Shehabi, Paula M. Bokesch, Daniel Ceraso, Wayne Wisemandle, Firas Koura, Patrick Whitten, Benjamin D. Wargolis, Daniel W. Byrne, E. Wesley Ely, Marcelo G. Rocha

In: JAMA 2009 301:489-499

 

BEWERTUNGSSYSTEM

*****    = hervorragende Arbeit
****    = gute grundlagenwissenschaftliche Arbeit/klinische Studie/Übersichtsarbeit
***    = geringer Neuheitswert oder nur für Spezialisten geeignet
**    = weniger interessant, leichte formale oder methodische Mängel
*    = erhebliche Mängel

 

NIMA_1-2010


Bewertung: ****





Zielstellung:

Es handelt sich bei der vorgestellten Studie um eine multizentrische randomisierte kontrollierte Studie bezüglich der Effektivität und Nebenwirkungen zweier zur Sedierung eingesetzter Medikamente. Bei dem Einen handelt es sich um ein klassisches Benzodiazepin (Midazolam), welches zu den routinemäßig zur Sedation eingesetzten Medikamenten zählt. Das zweite Medikament ist ein zentraler Alpha-2-Antagonist (Dexmedetomidine), ähnlich dem in Europa gebräuchlicheren Clonidin. Insgesamt waren 68 Center in 5 Ländern beteiligt und es wurden in einem Zeitraum von März 2005 bis August 2007 insgesamt 375 Patienten eingeschlossen, bei denen zum Zeitpunkt der Aufnahme auf der Intensiv-Station von einem weiteren Aufenhalt für mindestens noch 3 weiteren Tagen ausgegangen wurde. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Dialysepflichtigkeit, Schwangerschaft, schwerer Leberfunktionsstörung, ausgeprägten neurologischen Defiziten, sowie erheblich eingeschränkter Herzfunktion. Etwa ein Viertel der Patienten war zum Zeitpunkt des Einschlusses in die Studie septisch.

Wesentliches Ergebnis der Studie war, dass mit beiden Medikamenten eine etwa gleich tiefe Sedation zu erreichen war, die Patienten, die aber Dexmedetomidine erhielten, etwa 1,9 Tage früher extubiert werden konnten und insgesamt signifikant seltener eine delirante Symptomatik entwickelten, als die Patienten, die Midazolam erhielten. Bradykardien traten signifikant häufiger in der Dexmedetomidine-Gruppe auf. Bezüglich der übrigen Nebenwirkungen fanden sich keine signifikanten Unterschiede.

Die Autoren kommen daher zum Schluss, dass mit Dexmedetomidine bei gleicher Sedationstiefe eine Substanz zur Verfügung steht, die signifikante Vorteile zeigt, insbesondere signifikant seltener zu einem Delir führt.

Kommentar:

Hervorzuheben ist an der Arbeit, dass es sich um eine prospektive randomisierte Doppelblindstudie handelt, die bei einer ausreichenden Anzahl von Patienten (insgesamt wurden 420 Patienten gescreent und insgesamt 375 Patienten randomisiert, wovon letztlich 244 Patienten Dexmedetominidine und 122 Patienten Midazolam erhielten) die Wirkung verschiedner zur Sedation eingesetzter Medikamente untersucht.
Mit der Einschränkung, dass die Analyse sich nicht auf die Intention-to-treat-Population, sondern letztlich auf die tatsächlich behandelten Patienten beschränkte, findet sich ein Ergebnis, welches auch der klinischen Erfahrung entspricht, dass insbesondere bezüglich der Entwicklung einer Verwirrtheitssymptomatik die Gabe des zentralen Alpha-2-Antagonisten der Gabe des Benzodiazepins überlegen ist. Dieses findet häufig auch in der klinischen Routine seinen Wiederhall, in dem man bei verwirrten, agitierten Patienten mit dadurch bedingtem erhöhtem Butdruck häufig zur Sedierung das mit der hier untersuchten Substanz verwandte Medikament Clonidin einsetzt. Erst kürzlich konnte in einer Studie aus Italien (Rubino et al. 2010) gezeigt werden, dass auch für Clonidin eine Reduktion der deliranten Symptomatik bei gleichzeitiger Verkürzung der Weaning-Phase und des Intensiv-Stations-Aufenthaltes gezeigt werden konnte. Eine gewisse Schwäche der Arbeit ist, dass wohl relativ umfassend dargestellt wird, welche Patienten nicht in die Studie eingeschlossen wurden, die letztlich eingeschlossenen Patienten aber relativ wenig bezüglich ihrer primären Erkrankung charakterisiert werden. In der Diskussion fällt auf, dass ein Literaturvergleich, z.B. zur Substanz Clonidin, die wie gesagt in Europa eingesetzt wird, nicht erfolgt, obwohl zu dieser Substanz ebenfalls Studien vorliegen. Des Weiteren wird nicht über mögliche negative Nebenwirkungen von zentralen Alpha-2-Antagonisten auf die Neuroplastizität eingegangen, wobei es bei der Ziel-Population sich auch um primär nicht-neurologisch erkrankte Patienten handelte.
Zusammenfassend gibt die Studie weitere Hinweise, dass der Einsatz von zentralen Alpha-2-Antagonisten einerseits eine ausreichende Sedierung ermöglicht und andererseits Vorteile bezüglich der Entwicklung von einer deliranten Symptomatik hat.

(A. Straube)