preise Prof. Dr. Wolfgang Müllges (Würzburg) durfte zufrieden sein. An die 1300 Teilnehmer konnte der Kongresspräsident für die vor 3 Wochen erfolgreich beendete ANIM 2018 mobilisieren. Ärzte und Pflegende der NeuroIntensivmedizin nicht nur aus Deutschland, Österreich und der Schweiz fanden sich zur Fort- und Weiterbildung sowie zum wissenschaftlichen Diskurs vom 8.-10. Februar 2018 im Congress Centrum Würzburg. Eines der I-Tüpfelchen des diesjährigen Kongresses war das Joint Meeting mit der Neurocritical Care Society (NCS), die mit einer Delegation von 25 Teilnehmern erschien.

In insgesamt 362 neurointensivmedizinischen Vorträgen und Postern konnten 249 Referenten und Erstautoren aktuelle wissenschaftliche Beiträge und Übersichtsarbeiten präsentieren.

Preise

Den diesjährigen DGNI Nachwuchsförderungspreis in einer Höhe von 20.000 Euro konnte am 8. Februar Fr. Dr. Nadine Lilla (Würzburg) entgegennehmen. Hiermit wurde das laufende Forschungsprojekt „Charakterisierung metabolischer Veränderung nach Subarachnoidalblutung“ der Neurochirurgin gewürdigt. Im Anschluß konnte Hr. Dr. Walid Albanna (Aachen), Preisträger des Vorjahres, mit einem geschliffenen und motiviert vorgetragenen Progressreport zur retinalen Gefäßanalyse bei Patienten mit aneurysmatischer Subarachnoidalblutung erneut überzeugen. Auch wenn diese innovative Methode noch weit von der routinemäßigen Anwendung entfernt ist, werden durch die Arbeiten der Aachener Arbeitsgruppe alternative Wege in der Detektion und Vorhersage des zerebralen Vasospasmus aufgezeigt.

Der H. G. Mertens-Preis wird gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. e.V. (DGN) und der DGNI ausgeschrieben. Er erinnert an Hans Georg Mertens, der von 1968 bis 1989 den Lehrstuhl für Neurologie an der Universität Würzburg innehatte.

Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wurde in diesem Jahr Prof. Dr. Christian Förch (Frankfurt) für seine Forschungsarbeiten zum Schlaganfall verliehen. In diesen hatte Förch zeigen können, wie mit Hilfe des hirnspezifischen Serummarkers glial fibrillary acidic protein (GFAP) zwischen ischämischen und hämorrhagischen zerebralen Insulten unterschieden werden kann. Der praktische Nutzen eines zukünftigen „Blut-Schnelltests“ könnte in einer besseren präklinischen Triage und möglicherweise auch in einem früheren Einsatz spezifischer Therapie (z.B. Blutdrucksenkung, Fibrinolyse) liegen.

Intensivmedizin im hohen Alter — Erfolg und Grenzen

Aufgrund des epidemiologischen Wandels und der verbesserten notfallmedizinischen Versorgung sehen sich NeuroIntensivmedizinerInnen immer häufiger mit der Frage konfrontiert, ob und ab wann das Alter der Patienten zu einem begrenzenden Faktor für die Erfolgsaussichten einer weiteren Behandlung wird. Speziell intrakranielle Blutungen stehen hier aufgrund der u.U. zu wählenden aggressiven Behandlung ggf. sogar operativen Therapie regelmäßig zur Diskussion.

Zur intrazerebralen Blutung (ICB) referierte Priv.-Doz. Dr. Dimitre Staykov (Eisenstadt / AT). Die ICB trage zu einem Drittel zum „global burden“ durch neurologische Akuterkrankungen bei und sei eine klassische Erkrankung des höheren Lebensalters. „Mit jeder Dekade vervielfacht sich die Inzidenz. Wenn wir die Patienten im achten und neunten Lebensjahrzehnt betrachten, verzehnfacht sich die Inzidenz gegenüber den 40-50 Jährigen.“ Wenngleich sich in den letzten 40 Jahren hinsichtlich der evidenzbasierten Therapie kein wirklicher Durchbruch ergeben habe, habe sich die Prognose dennoch merklich verbessert. Die Frage sei, welche der schwach-begründeten Therapieverfahren man auch älteren Patienten anbieten könne. Mit Hinweis auf a-priori Annahmen zum klinischen Ergebnis und den oftmals daraus resultierenden „self-fulfilling prophecies“ plädierte Staykov dafür, individuelle Therapieentscheidungen zu ermöglichen, die jedoch den Patientenwunsch respektieren und sowohl den prämorbiden Status als auch die Angehörigen mit einbeziehen sollte.

Als international renommierter Experte zur Subarachnoidalblutung (SAB) konnte Prof. Gabriel J.E. Rinkel, MD, FRCP (Utrecht / NL) gewonnen werden. „Sowohl Patientenalter als auch der klinische Zustand bei Aufnahme sind bekannte Prädiktoren des weiteren Verlaufes und des klinischen Endergebnisses“, so Rinkel. Betrachte man nur das Alter allein, fiele jedoch auf, dass mehr als die Hälfte aller Patienten in der siebten Lebensdekade überlebe und dass selbst in der Gruppe der Hochbetagten (>90 Jahre) etwa ein Drittel eine SAB überleben könne. Anhand eigener retrospektiver Arbeiten zur SAB argumentierte Rinkel, daß die Datenlage auch bei über 80jährigen für eine Aneurysmabehandlung durch Coiling oder Clipping spräche, wenn diese nur früh (d.h. innerhalb der ersten 4 Tage) erfolgen würde. Dieses sei unabhängig vom klinischen Zustand bei Aufnahme, dem Geschlecht und der Lage des Aneurysmas.

Prognosestellung bei schwerwiegenden Verletzungen und Erkrankungen des Zentralnervensystems

„What will the outcome be? Prognostication in Neurocritical Care.“ Eines der Highlights der ANIM war sicher diese ausgezeichnet besuchte Sitzung des integrierten Joint Meetings mit der NCS.

Mit dem Ziel eines gemeinsamen Positionspapiers hatten sich bereits im Vorfeld Fachexperten und -vorsitzende von beiden Seiten des Atlantiks auf ein Format geeinigt, welches neben der Darstellung gängiger Prognose-Scores die kritische Auseinandersetzung in Form einer sogen. Lückenanalyse (gap analysis) beinhaltete. Hierdurch sollen mögliche operative oder strategische Lücken zwischen dem Ist-Zustand und einer zukünftigen intensivmedizinischen Umgebung, die sich hoch-akkurate und validierte Prognose-Scores zunutze macht, identifiziert werden.

Ausgewählte Vortragende lieferten hier eine facettenreiche Zusammenfassung zum ischämischen Schlaganfall (PD Dr. Karl Georg Häusler, Berlin), zur SAB (Dr. Katja Wartenberg, Halle), zur ICB (Prof. David Hwang, New Haven, CT / USA) und zum hypoxischen Hirnschaden (Prof. David Greer, Boston, MA / USA), zu traumatischen Hirn- (Prof. Susanne Mühlschlegel, Worcester, MA / USA) und Rückenmarksverletzung (Prof. Dr. Oliver Sakowitz, Ludwigsburg), sowie zum Status epilepticus (Prof. Dr. Hajo Hamer, Erlangen) als auch Guillain Barré Syndrom (Prof. Dr. Alejandro Rabinstein, Rochester, MA / USA).

Durch die anschließende, äußerst lebhafte Diskussion führten Prof. Dr. Jürgen Meixensberger (Leipzig)Prof. Panos Varelas (Detroit, MI / USA) und Prof. Claude Hemphill (San Francisco, CA / USA) gemeinsam. Ein grundsätzliches Problem ergäbe sich aus der Tatsache, dass viele Prognose-Scores aus Studien abgeleitet würden, in denen auch Patienten, deren Therapie eingestellt wurde, mit eingeschlossen wurden. Dieses führe zu dem bekannten Problem der „self-fulfilling prophecies“. Ein gewisser Konsens dürfte deshalb dahingehend bestehen, dass die Abschätzung der individuellen Prognose niemals vorschnell erfolgen sollte. Ein Zeitfenster von „mindestens 24h“ wurde hier gefordert, oder auch deutlich länger. „As long as it takes“, wie Prof. David Greer (New Haven, CT / USA), Experte für postanoxische Enzephalopathie bei Patienten nach Herzkreislaufstillstand, es pointiert darstellte.  

Auch durften provokante Zweifler in Frage stellen, ob prognostische Scores, auf statistischen Modellen, neuronalen Netzwerken oder auch anderen Expertensystemen („machine-learning“) basierend, jemals besser in ihren Vorhersagen sein könnten als die „reellen“ klinischen Experten, d.h. erfahrene NeuroIntensivmedizinerInnen am Patientenbett.  Die Frage, wie letzten Endes mit prognostischen Aussagen gegenüber ggf. auch aufnahmefähigen Patienten und ihren Angehörigen umgegangen werden sollte, blieb unbeantwortet. Ein Dilemma, wie es allen in der Klinik Tätigen bekannt ist.

Nach der ANIM …

… ist vor der ANIM. Bereits jetzt laufen die Vorbereitungen für die ANIM 2019 unter der Planung von Tagungspräsident Prof. Dr. Helmuth Steinmetz (Frankfurt). Im zehnten Jahr des Bestehens der DGNI dürfen wir uns vom 17.–19. Januar 2019 wieder auf spannende neurointensivmedizinische Tage im Maritim Hotel Berlin freuen. Save the date!

Prof. Dr. med. Oliver W. Sakowitz (Ludwigsburg), 2. Vizepräsident der DGNI

Tabelle 1: Die ANIM 2018 in Würzburg in Zahlen

 

Anzahl

Teilnehmer insgesamt

1261

Ärzte / Pflege / Studenten / Presse & Industrie

984 / 126 / 37 / 114

D / A / CH

1114 / 62 / 37

USA

25

Sonstige

VAE, Belgien, Chile, Dänemark, GB, Griechenland, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Polen, Schweden

Referenten / Erstautoren

249

Vorträge

270

Poster

92